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Heute beginnt vor dem Landgericht Oldenburg der Prozeß gegen den mutmaßlichen Mörder der zehnjährigen Kim Kerkow. Der 35jährige Rolf D. hat gestanden, das Mädchen mißbraucht und erdrosselt zu haben. So geht es in der Verhandlung primär um d

Heute beginnt vor dem Landgericht Oldenburg der Prozeß gegen den mutmaßlichen Mörder der zehnjährigen Kim Kerkow. Der 35jährige Rolf D. hat gestanden, das Mädchen mißbraucht und erdrosselt zu haben. So geht es in der Verhandlung primär um die Schuldfähigkeit des Angeklagten. Mitglieder der „Initiative Kim“ wollen die Aufmerksamkeit der Medien nutzen, um ihre Forderung nach Verschärfung des Sexualstrafrechts in die Öffentlichkeit zu tragen.

Demonstration für die Opfer

Dem Prozeß gegen Rolf D., den mutmaßlichen Mörder der 10jährigen Kim Kerkow, der heute um halb neun vor dem Landgericht Oldenburg beginnt, ist das öffentliche Interesse sicher. Die „Initiative Kim“, die sich im Heimatort des Opfers, in Varel am Jadebusen, gegründet hat, will zum Prozeßauftakt demonstrieren und hat für die weiteren Verhandlungstage Mahnwachen vor dem Gerichtsgebäude angekündigt. Die 35 Presseplätze in dem auf sechs Tage terminierten Verfahren sind seit Wochen ausgebucht. Der Oldenburger Oberstaatsanwalt Gerhard Kayser warnt schon vorab vor einer gnadenlosen Vermarktung der Tat. „Immer mehr Medien entdecken den Unterhaltungswert auch noch der grausamsten Verbrechen“, sagt Kayser.

Die „Initiative Kim“, in der auch die Eltern der Ermordeten Mitglied sind, hat sich dem Opferschutz verschrieben und gehört dem „Forum gegen Gewalt“, dem „Dachverband der Bürgeriniativen für Opferschutz“, an. In den Augen dieses Dachverbandes werden in Deutschland „Täter geschont, Opfer vergessen“. Die knapp 1,2 Millionen Unterschriften, die nach dem Mord an der siebenjährigen Natalie Astner gesammelt wurden und die das Forum dann Bundestagspräsidentin Rita Süßmuth übergab, haben die Verschärfung des Sexualstrafrechts mit auf den Weg gebracht. „Wir wollen den Prozeß gegen Kims Mörder, wollen die Aufmerksamkeit der Medien nutzen, um für unser Anliegen zu werben“, sagt der Sprecher der „Initiative Kim“, Harald Menge, ein pensionierter Bundeswehroffizier aus Varel.

In dem Verfahren wird weniger um die Taten als vielmehr um die Schuldfähigkeit des angeklagten 35jährigen Buchhändlers gestritten werden. Darum, ob Rolf D. auf Dauer in ein Gefängnis oder in eine geschlossene psychiatrische Anstalt, in den „Maßregelvollzug“ eingewiesen wird. Der Angeklagte hat die drei Taten, die ihm die Staatsanwaltschaft Oldenburg zur Last legt, gestanden. Demnach hat Rolf D. im August 1991 in Runkel an der Lahn einen damals 13 Jahre alten Jungen entführt und sexuell mißbraucht, im August 1996 einen elf Jahre alten Jungen gefährlich verletzt und versucht zu mißbrauchen. Am 9. Januar dieses Jahres lauerte er der 10jährigen Kim Kerkow vor ihrem Elternhaus in Varel auf, sprühte ihr Tränengas ins Gesicht, zerrte das Kind in sein Auto und fuhr mit ihm in das 30 Kilometer entfernte Hornumersiel. Im Haus seiner Eltern mißbrauchte er das Mädchen, sperrte es in den Weinkeller und erdrosselte das 10jährige Mädchen schließlich mit dessen Schal. Die Leiche des Kindes wurde später in einem Wald bei Amsterdam aufgefunden, wohin sie Rolf D. mit seinem Wagen gefahren hatte.

Gefaßt wurd der 35ährige mit Hilfe einer Phantomzeichnung, die im niedersächischen Landeskriminalamt nach den Angaben zweier Mädchen aus Varel gefertigt wurden, denen Rolf D. am Tag der Tat aufgefallen war.

Nach der Festnahme wurden in der Gegend am Jadebusen Unterschriften für die Todesstrafe gesammelt. Für eine entsprechende Stimmung sorgte die Tatsache, daß der Verhaftete bereits als 16jähriger ein zwölfjähriges Mädchen tötete und dafür wegen Totschlags zu sechs Jahren Haft verurteilt wurde. Diese Tat wurde vom Jugendgericht seinerzeit nicht als Sexualstraftat gewertet, einer Therapie mußte sich D. in seiner gut dreijährigen Haftzeit in der Jugendanstalt Hameln nicht unterziehen.

Vom Ruf nach der Todesstrafe grenzt sich die „Initiative Kim“ strikt ab. Sie sieht sich als Gegenpol zu den Kopf-Ab-Forderungen, die nach der Tat grassierten. Harald Menge, der Sprecher der Initiative, rechnet auch nur mit einer kleinen Demonstration vor dem Gerichtsgebäude, „mit etwa 50, 60 Leuten“. Zu der Demo wollen auch Mitglieder anderer Opferschutzinitiativen aus dem „Forum gegen Gewalt“ anreisen. Dieser Zusammenschluß von bundesweit elf Bürgerinitiativen hält „die Therapie von Gewaltstraftätern für unerläßlich“, genauso wie er härtere Strafen für Gewalt- und Sexualdelikte fordert.

Die Opferschutzinitiativen verstehen sich auch als Selbsthilfegruppen für Verbrechensopfer. „Der Täter wird möglicherweise auf Kosten des Staates therapiert, den Angehörigen des Opfers hilft niemand, obwohl sie ihr ganzes Leben an einer solchen Tat zu tragen haben“, sagt die Bundessprecherin des „Forums gegen Gewalt“, Anneliese Büker, die sich gestern auf den Weg zu den Eltern der ermordeten Kim Kerkow machte. Frau Bükers „Forum gegen Gewalt“ ist aber auch der Meinung, daß wir in der Bundesrepublik „ständig Verbrechen an Leib und Leben erleben und deswegen der Glaube an Gesetz und Gerechtigkeit immer mehr verloren geht“. Jürgen Voges

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