piwik no script img

„So kann man etwas verspielen“

■ Der Vorsitzende der Konzentrationskommission KEK sieht die Digitalpläne von Kirch und Bertelsmann skeptisch. Ärger über Medienanstalten wegen Standortpolitik bei Sendefenstern

Bonn (taz) – Nun also auch Reimut Jochimsen. Wo immer die Vertreter des Medienkonzerns Bertelsmann in den letzten Monaten hingerieten, ein Wort schreckte sie auf: Bertelkirch. Kaum jemand will ihre Beteuerungen glauben, ihre Allianz mit Leo Kirch betreffe nur den winzigen Pay-TV-Bereich, und ansonsten konkurrierten Deutschlands größte Fernsehkonzerne weiterhin miteinander wie ehedem.

Wenn nun auch Reimut Jochimsen der Geschichte nicht unbesehen folgen mag und das böse Wort in den Mund nimmt, dann hat das schon ein bißchen mehr zu bedeuten: Der Mann sitzt der seit Januar amtierenden KEK vor. Und diese sechsköpfige „Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich“ wird darüber entscheiden, ob die Pläne von Bertelsmann und Kirch genehmigt werden oder nicht – denn die KEK muß alle Senderzulassungen absegnen. Und Jochimsens Rechnung ist ganz einfach: Er habe zu prüfen, ob eine Sendefamilie mehr als 30 Prozent der Zuschauer erreicht und damit eine verfassungswidrige Meinungsmacht hat. Wenn aber Bertelsmann und Kirch als eine Gruppe zählten, dann hätten sie fast siebzig Prozent, so Jochimsen. Und ein Hinweis dafür sei die Tatsache, daß die Partner „eine Hierarchie der Vermarktung von Ereignissen“ aufbauen – so wie bei den Sportrechten. Das Argument leuchtet ein: Wenn Kirch und Bertelsmann entscheiden, wie sie Kirchs Fußballrechte bei Premiere verwerten, wird das kaum ohne die Überlegungen gehen, wieviel wann Sat.1 und RTL bekommen. Jochimsen: „Das alles geht in die 30-Prozent-Grenze mit ein.“

Soweit der konzentrationsrechtliche Einwand. Zudem verwies Jochimsen am Donnerstag in Bonn aber auf die kartellrechtliche Prüfung der Pläne, die bei EU- Wettbewerbskommissar Karel van Miert liegen wird. Jochimsen: „Es genügt ja ein einziger Knockoutpunkt, wettbewerbsrechtlich oder konzentrationsrechtlich.“ Der KEK-Chef deutete an, die Kartellprüfung könne vor dem KEK- TÜV abgeschlossen sein – der sich bei einem negativen Bescheid aus Brüssel erledigt hätte.

Doch um sie zu prüfen, muß die KEK die Anträge von Bertelsmann und Kirch erst einmal haben. Und die liegen zwar seit Anfang Oktober bei den Medienanstalten in Bayern und Hamburg vor, nicht jedoch bei der KEK – obwohl das Gesetz den Anstalten aufgibt, die Papiere unverzüglich weiterzureichen. Jochimsen warnte die Anstalten: Die KEK als das wichtigste Instrument bei der Zulassung müsse „zunächst einmal respektiert werden“. Da hätten die Medienbehörden wohl „Lernbedarf“.

Schon bahnt sich ein Grundkonflikt zwischen KEK und Medienanstalten an. Die hatten in der vergangenen Woche Einwände Jochimsens gegen ihre Versuchszulassungen für die Digitalprojekte von Bertelsmann/Kirch geflissentlich ignoriert. In einem Brief, den die taz am Donnerstag öffentlich gemacht hatte, hatte der KEK- Chef gewarnt, die Medienanstalten würden Regeln, die die Meinungsvielfalt sichern sollten, nicht beachten – tags darauf hatten die Anstalten die Versuchslizenzpraxis ausdrücklich gebilligt. Jochimsen: „So kann man etwas verspielen.“

Scharf griff der KEK-Vorsitzende die rheinland-pfälzische Medienanstalt LPR an, die ein „unabhängiges Sendefenster“ bei Sat.1 ausgerechnet einem Veranstalter geben wollte, der bis vor kurzem noch Manager bei dem Sender war. Jochimsen polterte, „daß dieses weder verfassungsmäßig noch dem Staatsvertrag entsprechend, noch inhaltlich gerechtfertigt ist im Sinne der Standortunabhängigkeit“. Aus der LPR hatte es geheißen, man habe den Sat.1- Spezi ausgesucht, weil er in Mainz Arbeitsplätze schaffe. Ebenso wie der LPR hat Jochimsen nun auch Niedersachsens NLM einen Brief geschrieben – auch sie dürfe die unabhängigen Fensterveranstalter nur in Kooperation mit der KEK auswählen. Lutz Meier

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen