: Die Dietrich selbst... ...zu Gast im Schnoor
■ Laurence Gerrard tritt im Travestie Theater von Madame Lothar als „Die Marlene Dietrich Illusion“auf
m Jahre 1961 sagte ein Kritiker zur damals 60jährigen Marlene Dietrich, die gerade in Las Vegas gastierte, ihre Stimme sei inzwischen nicht mehr von der eines Mannes zu unterscheiden, und unverblümt antwortete die Diva: „Nun ja, ich wäre sehr gern ein Mann gewesen, ein großer Mann.“
Kein Wunder, daß die schönste Preußin aller Zeiten so beliebt in Travestie-Shows ist. Aber leider traut sich Laurence Gerrard bei seiner „Marlene Dietrich Illusion“nicht zu der ironischen Volte, nun seinerseits die Marlene in ihrem berühmten Frack und Hosenkostüm darzustellen. Das wäre dann fast solch eine schöne „gender-bender“-Pointe gewesen wie die Frau in „Victor und Victoria“, die einen Mann spielt, der eine Frau darstellt.
Aber wenn man auf solche ,eher intellektuellen, Freuden der Travestie hofft, ist man bei Madame Lothar eh am falschen Ort. Da geht es handfest und gewollt ordinär zu: mit MatthiAs im Rahmenprogramm, der neben einigen immerhin selbst gesungenen Chansons viele eindeutig, zweideutige Scherze zum besten gibt, und einer trampeligen „Mireille Mathieu-Illusion“, die „Hinter den Kulissen von Paris“im Vollplayback als einen Kampf mit der Perücke interpretiert.
Als Hauptattraktion singt dann Laurence Gerrard (der übrigens außerhalb seiner Rolle einen verdächtig norddeutschen Zungenschlag hat) die Greatest Hits der Marlene Dietrich. Die beiden Kostüme, Frisur, Mimik und die Stimme sind dabei tatsächlich frappierend ähnlich. Es muß eine irre Fleißarbeit für den jungen Mann gewesen sein, das alles so genau einzustudieren. Daß diese Illusion dabei extrem statisch wirkt, und man oft glaubt, statt bei Madame Lothar bei Madame Toussaut zu sein, ist in gewisser Weise auch stimmig, denn mit den Jahren wurde die echte Dietrich immer mehr zu ihrer eigenen eisigen Ikone. Die Imitation ist also durchaus gelungen, aber zwangsläufig muß die Illusion gänzlich oberflächlich bleiben. Von der Essenz der Dietrich, von ihrer eben unnachahmliche Art, mit Intelligenz zu verführen, ist bei dieser Show nichts zu spüren. Geboten wird ein bewegliches und singendes Image. „Nostalgie pur“heißt das Programm, und die wirkliche Marlene kann man ja immernoch in ihren Filmen ansehen. Schwarzweiß, denn Farbe steht ihr gar nicht.
Wilfried Hippen / F: Ahnert
Die Marlene Dietrich Illusion, bis 29. November jeweils von Mittwoch bis Samstag, 21 Uhr im Travestie Theater im Schnoor
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