Ein SPD-Programm nach dem andern

■ Am Montag ein Papier gegen Jugendarbeitslosigkeit, gestern ein Wirtschaftsprogramm: Unterschiedliche Konzepte in der SPD

Bonn (taz) – Die SPD rüstet auf. Nach dem Sieben-Punkte-Programm zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit vom Montag stellte sie gestern ein Zehn-Punkte-Programm zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit vor. Doch was wie eine aufeinander abgestimmte Aktion von Fraktion und Partei aussieht und wie eine Demonstration von Handlungsfähigkeit, offenbart unterschiedliche Ansichten zur Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik innerhalb der Sozialdemokratischen Partei.

Runter mit den Lohnnebenkosten, Binnennachfrage ankurbeln, ökologischen Strukturwandel fördern, Mittelstand unterstützen – das sind die Schlagworte des Zehn- Punkte-Programms, das die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Anke Fuchs und der wirtschaftspolitische Sprecher Ernst Schwanhold gestern vorstellten. Über diese Punkte besteht Einigkeit in der SPD. Daß es auch Gräben gibt, zeigte sich selbst in der gemeinsamen Pressekonferenz: Während Schwanhold die Konsolidierung der Haushalte als unumgänglich bezeichnete, stellte Anke Fuchs fest: „Wenn wir für die Arbeitsmarktpolitik ein paar Schulden mehr machen, macht uns das auch nichts.“ Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende repräsentiert damit eine Strömung in der SPD, die darauf setzt, Arbeitsplätze durch öffentliche Investitionen zu schaffen.

Am Montag hatte Oskar Lafontaine noch gezeigt, wie man die SPD als schlagkräftige Truppe präsentiert. Ottmar Schreiner für die Fraktion, die streitbare Juso-Vorsitzende Andrea Nahles und Lafontaine stellten gemeinsam ein bis auf rund 200 Millionen Mark durchgerechnetes Sieben-Punkte- Programm zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit vor. Und Gerhard Schröder, der sich mit dem zentralen Punkt des Programms – der Ausbildungsplatzabgabe – nicht anfreunden kann, verließ die Parteizentrale unmittelbar vor der Pressekonferenz ohne Kommentar. Nun also die Pressekonferenz der beiden Fraktionsmitglieder: „Schluß mit dem Märchen, daß Sozialabbau für Arbeitsplätze sorgt“, sagte Anke Fuchs.

Statt dessen müßten Investitionen angekurbelt werden. Eine Milliarde Investition der öffentlichen Hand führe zu zehn Milliarden privater Investition. Die Finanzierung will die stellvertretende Fraktionsvorsitzende ähnlich bewältigen wie die Regierung die Nettoentlastung bei der Steuerreform in Höhe von 30 Milliarden Mark: durch Selbstfinanzierung. 100.000 Arbeitslose weniger würden schließlich für vier Millionen Mark mehr in den öffentlichen Kassen sorgen. Auch die Jusos und der linke Flügel der SPD plädieren für Arbeitsbeschaffungsprogramme.

Die Mehrheit in Fraktion und Partei ist allerdings anderer Ansicht. Parteichef Oskar Lafontaine hat öfter darauf verwiesen, daß in Ostdeutschland bereits ein gigantisches Konjunkturprogramm läuft. Die Spielräume für weitere Investitionsprogramme seien daher weitgehend ausgereizt. In seinem Mitte Oktober vorgestellten Grundsatzpapier zur Wirtschafts- und Finanzpolitik stellt Lafontaine fest, die Erfahrung habe gezeigt, daß eine aktive antizyklische Finanzpolitik mit einer Feinsteuerung des Konjunkturverlaufs politisch kaum beherrschbar sei. Zudem seien die öffentlichen Haushalte aufgrund der hohen Schuldenlast nicht mehr in der Lage, durch eine Steigerung ihrer Ausgaben stabilisierend auf Konjunkturschwankungen zu reagieren. Für den Fall der Regierungsübernahme verspricht Lafontaine eine sparsame Haushaltspolitik.

Das strebt auch der potentielle Kanzlerkandidat Gerhard Schröder an. Das Zehn-Punkte-Programm von Fuchs und Schwanhold zeigt aber, daß er auf einem anderen Gebiet eine Schlappe erlitten hat. Im Entwurf des Leitantrags für den Parteitag der Sozialdemokraten Anfang Dezember hatte Schröder maßgeblich den Aufbau eines Niedriglohnsektors durchgesetzt. Gegen die Subventionierung von Niedriglöhnen machte vor allem der linke Parteiflügel Front. Sie wurde daraufhion wieder gestrichen. Markus Franz