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■ VorschlagDie Malerin Lily Hildebrandt im Verborgenen Museum

Übungen machen bei Lily Hildebrandt den Anfang. Die Farbkompositionen der Malerin spielen mit der Form und mit Linien. Die Tafeln – heute im Bauhaus-Archiv aufbewahrt – sind als Unterrichtsmitschriften wichtige Dokumente für die Lehrpraxis von Adolf Hölzel. Hildebrandt besuchte, neben Ida Kerkovius, seine „Damenklasse“ an der Stuttgarter Kunstakademie. Künstlerin und Kunstvermittlerin stehen so von Beginn an nebeneinander, eine Doppelrolle, in die sie hineingedrängt wurde.

Als Lily Uhlmann 1887 in Fürth geboren, war die Tochter aus großbürgerlichem Hause zuerst auf der privaten Malschule von Adolf Beyer in Berlin. Während des Studiums bei Hölzel entwickelte sie nach impressionistischen Anfängen eine expressive Malweise, die sich nach der Farbe richtete. Die ordnenden Kompositionsregeln ihres Lehrers verleihen Porträts, Landschaften und Stilleben wiederum Ruhe und Festigkeit. Aus Buntpapiercollagen entsteht „Klein Rainers Weltreise“, das 1918 mit dem Text ihres Mannes Adolf Hildebrandt, einem Kunsthistoriker, als Kinderbuch erschien. Adressat des Buches war übrigens der eigene Sohn Rainer, heute Leiter des Museums Haus am Checkpoint Charlie.

In den Weimarer Jahren schrieb sie Modeberichte und Architekturkritiken. Einfühlsam porträtierte sie z.B. Fernand Léger, Oskar Schlemmer, Hannah Höch, Willi Baumeister oder Walter Gropius. Neben einigen Wanddekorationen für Kinderzimmer widmete sich Lily Hildebrandt in den 20er Jahren der Hinterglasmalerei, die als Volkskunst vom Blauen Reiter neu entdeckt worden war. Das Medium erlaubte ihr den spielerischen Umgang mit Bildmaterial. Geheimnisvoll zeigen sich „Gespensterhaus“ und „Nächtliche Erscheinung“, Melancholie durchtränkt den „Luftballonverkäufer“, „Die Brücke“ und „Das Dorf“.

Während der Nazi-Diktatur hatte Hildebrandt als Tochter jüdischer Eltern Berufsverbot. Nach dem Krieg veröffentlichte sie Kritiken. Anstelle der eigenen künstlerischen Arbeit trat erneut die Vermittlung. Die Ausstellung entdeckt nun die 1974 verstorbene Malerin wieder. Michael Nungesser

Bis 21.12., Schlüterstr. 70, Katalog 25 DM

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