: Winnie Mandela – eine Altlast des ANC
Südafrikas Wahrheitskommission bringt zutage: Schon 1988/89 forderten hochrangige Widerständler Winnie Mandelas Ausschluß aus der Befreiungsbewegung. Die exilierte ANC-Führung lehnte ab ■ Aus Johannesburg Kordula Doerfler
Die Aufarbeitung der Vergangenheit von Winnie Madikizela- Mandela vor Südafrikas Wahrheitskommission ist auch eine Aufarbeitung der Vergangenheit des ANC. Die Anhörungen zeigen, wie nervös die heutige Regierungspartei schon früher über ihre Machenschaften war. Während zuerst vor allem ehemalige Mitglieder des „Mandela United Football Club“ und dessen Opfer ausgesagt hatten, saß in den letzten beiden Tagen ein damals dem ANC nahestehendes, hochkarätig besetztes „Mandela-Krisenkomitee“ auf der Zeugenbank. Seine Mitglieder bestätigen, daß schon 1988 über Winnie Mandela im ANC „ernsthafte Besorgnis“ herrschte.
Fast alle, die um die Jahreswende 1988/89 versuchten, Schadensbegrenzung zu üben, sind heute prominente Politiker: Frank Chikane, damals Generalsekretär des Südafrikanischen Kirchenrats, ist heute Chefberater von Vizepräsident Thabo Mbeki. Sydney Mufamadi, damals Vizegeneralsekretär des Gewerkschaftsverbandes Cosatu, ist heute Polizeiminister. Mit ihrem Erscheinen hat sich bei der Wahrheitskommission der Ton geändert. Waren viele Fußballklub-Mitglieder kaum in der Lage, zwei zusammenhängende Sätze zu formulieren, antworten die ANC- Leute sachlich und präzise.
Eines wird dabei endgültig klar: Winnie Mandelas „Fußballklub“ war keine Gruppe schutzbedürftiger Jugendlicher, wie sie selbst bis heute behauptet. Vielmehr war das Krisenkomitee über das Treiben der Truppe so besorgt, daß es Anfang 1989 – nach der Entführung von vier jungen Männern aus dem Haus des Pfarrers Paul Verryn – die ANC-Führung informierte. Das Komitee war Mitte 1988 gegründet worden, nachdem Winnies erstes Haus in Soweto von Schülern in Brand gesteckt worden war. Zunächst sollte das Komitee Winnie Mandela helfen, doch zunehmend wurden ihm Berichte über das Verschwinden von Jugendlichen geliefert.
In einem damals streng geheimen Bericht unterrichtete das Komitee Anfang 1989 ANC-Präsident Oliver Tambo im Exil in Sambia von den Vorwürfen gegen Winnie Mandela. Zuvor waren alle direkten Verhandlungen mit ihr gescheitert. Sie wurde in dem Bericht aufgefordert, den verschwundenen 14jährigen Stompie Seipei zu präsentieren, um Gerüchte von seinem Tod zu widerlegen. Außerdem verlangte das Komitee die Auflösung des Fußballklubs und forderte alle „fortschrittlichen Organisationen“ auf, Winnie Mandela „keine Plattform mehr zu geben“. Auch der inhaftierte Nelson Mandela wurde unterrichtet.
Die ANC-Führung reagierte rasch. Sie teilte die „Besorgnis“, wollte Winnie Mandela jedoch nicht aus der Befreiungsbewegung ausschließen. Das hatte der Dachverband der Bewegung innerhalb Südafrikas, die „Vereinigte Demokratische Front“ (UDF), gefordert. Der ANC indessen war der Ansicht, daß Winnie Hilfe innerhalb der Bewegung brauche. Nelson Mandela und Oliver Tambo befahlen ihr, die Entführten sofort freizulassen. Dem gehorchte sie erst Tage später. Der entführte Stompie Seipei war da schon tot.
Deutlich wird jetzt indessen auch, in welchem Dilemma das Krisenkomitee handelte. Gehe man weiter gegen Winnie Mandela vor, so die Befürchtung, würde man dem Apartheid-Regime in die Hände spielen.
Aber daß das Komitee überhaupt mit ihr gesprochen hat, bestreitet Winnie Mandela bis heute. Sogar den Bericht an Tambo tat sie in einer Voranhörung als Fälschung der Polizei ab. Es wird ihr schwerfallen, damit durchzukommen. Polizeiminister Mufamadi antwortete auf die Frage, ob Winnie gelogen habe, schlicht: „Ja.“
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