: Wertlose Hypotheken
Banken prüfen bei Krediten die Umweltrisiken noch zu wenig, obwohl es ihnen nützen würde ■ Aus Nürnberg Horst Peter Wickel
Die Mönchengladbacher Anwältin Doris Overbeck- Kosel sorgt bei Tagungen und Seminaren mit ihrem Szenario einer Bankhaftung bei Umweltschäden regelmäßig für bleiche Gesichter bei den nadelgestreiften Kreditfachleuten. Eigentlich fühlen sich Banken mit Grundpfandrechten, also im Grundbuch eingetragenen Belastungen, als Kreditsicherheit immer auf der sicheren Seite. Doch als das erheblich kontaminierte Grundstück in Bayern Anlaß zur ernsthaften Besorgnis einer nachhaltigen Gewässerverunreinigung gab – so das fiktive Beispiel der Fachanwältin für Umweltrecht – und ein Verursacher nicht ermittelt werden konnte, beauftragte die Gemeinde die Gesellschaft für Altlastensanierung mit der Reinigung des Bodens. Danach sah sich das Kreditinstitut mit Kosten in sechsstelliger Höhe konfrontiert.
Als rechtliche Grundlage diente das 1994 geänderte Bayerische Wassergesetz: danach können Sanierungskosten als öffentliche Last direkt eingetrieben werden. Und da der Wert des Grundstücks durch die Grundpfandrechte bereits völlig ausgeschöpft war, war die Bank zur Zahlung verpflichtet.
Fälle wie diese, in denen Kreditinstitute für die Umweltsünden ihrer Kunden haftbar gemacht werden könnten, sind – so das Bayerische Umweltministerium – trotz vorhandener rechtlicher Möglichkeiten allerdings noch nicht vorgekommen. Viele Banken und Sparkassen haben jedoch in den vergangenen Jahren bemerkt, daß Umweltrisiken auch Kreditrisiken bedeuten können. Verseuchte Grundstücke oder Warenlager voller giftiger Chemikalien wollen die Banken nur ungern als Kreditsicherheit akzeptieren. „Das Kreditrisiko“, so die Deutsche Bank, „wird mehr und mehr von Faktoren aus dem Umweltschutz bestimmt.“ Und deshalb, so heißt es im diesjährigen Umweltbericht der Bayerischen Vereinsbank, prüfe sie seit zwei Jahren ihre Firmenkunden auf Umweltrisiken.
Zahlreiche deutsche Kreditinstitute beziehen sich bei ihren Umweltaktivitäten auf die im Mai 1992 in New York unterzeichnete „Erklärung der Banken zu Umwelt und langfristig tragfähiger Entwicklung“ des United Nations Environment Programme (UNEP). Darin heißt es: „Als Teil unserer Kreditrisikobewertung empfehlen wir, falls angebracht, die Erstellung von Umweltverträglichkeitsstudien.“
Die Umsetzung im Tagesgeschäft jedoch, so Kritiker, ist vom Inhalt der UNEP-Erklärung noch weit entfernt. Die Frankfurter Ökobank, die die Erklärung nicht unterschrieben hat, hält die Aussagen der großen Institute für „Lippenbekenntnisse“. Und der junge Wissenschaftler Marcus Fenchel, der für seine Diplomarbeit „Das Management von Umweltrisiken im Kreditgeschäft“ den zweiten Preis beim diesjährigen „Greenhirn“-Wettbewerb des Freiburger Öko-Instituts errang, kommt bei seiner umfassenden Untersuchung der Handlungsweise von 47 Kreditunternehmen in zehn Ländern zum Fazit: „Die Banken müssen umgehend ihr Kreditmanagement modernisieren, wenn sie nicht den Anschluß verpassen wollen.“
Auch der Hamburger Banker Thomas Keidel schreibt in seiner jetzt veröffentlichten Untersuchung „Ökologische Risiken im Kreditgeschäft“: „Die deutschen Banken müssen ein Umwelt-Management-System einsetzen, um die Umweltrisiken bewältigen zu können. Dabei können sie standardisierte Verfahren mit Hilfe von Umweltchecklisten bis hin zu einem Umwelt-Scoring-Modell einsetzen.“ Daneben fordert er entsprechende Mitarbeiterschulungen und die Anpassung von Kreditverträgen und Kreditrichtlinien.
Doch nicht nur Banken und Sparkassen, sondern auch die umweltschonenden Unternehmen selbst können bei entsprechendem Vorgehen nur gewinnen, so eine Studie der Schweizer Bank Sarasin & Cie. aus Basel mit dem Titel „Umwelt und Shareholder Value“. Laut den Autoren Frank Figge und Stefan Schaltegger kann durch sinnvollen Umweltschutz Umwelt und Shareholder-value gleichzeitig gedient werden.
Welchen aktuellen Stellenwert die derzeit eingesetzten Umweltprüfungen der Banken bei der Kreditvergabe haben, wollte jedoch keines der befragten Institute detailliert mitteilen. Doris Linder von der Bayerischen Vereinsbank bezeichnet den Faktor Umwelt „als einen unter vielen“, und Dieter Schütz von der Commerzbank sieht das wirtschaftliche Kalkül seines Hauses im Vordergrund.
Bisher bleibt es deshalb Instituten wie der Ökobank und der Europäischen Investitionsbank (EIB) überlassen, klare Kriterien bei der Kreditvergabe zu entwickeln. Auch wenn in Brüsseler EU-Fluren über gesetzliche Zwangsmaßnahmen nach amerikanischem Vorbild nachgedacht wird, können sich die Banken noch auf Umweltministerin Merkel verlassen. Sie setzt weiterhin auf freiwillige Aktivitäten der Kreditwirtschaft.
Literatur: Thomas Keidel, „Ökologische Kriterien für das Kreditgeschäft“, Gabler Verlag, 89 Mark
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