„Bei uns ist das nun einmal so“

Weil er einen Betriebsrat beim Radiosender Hundert,6 erfolgreich verhindert zu haben glaubt, träumt Alleinherrscher Gafron von Champagner für seine Untertanen  ■ Von Jens Rübsam

Am Donnerstag abend knallten bei Hundert,6 die Sektkorken. Die Betriebsratswahl war gerade gescheitert, der persönliche Assistent des Geschäftsführers war mit einem erleichternden „Juho“ aus dem Redaktionsraum gestürmt, direkt in die Arme seines Dienstherren, und der Dienstherr selbst, Georg Gafron, war fortan genüßlich am Frohlocken. Das Votum der Beschäftigten sei ein Vertrauensbeweis in die Geschäftsführung, ließ Gafron eilig über Agentur verbreiten. Vorher habe er sich bei seinen Mitarbeitern bedankt, mit „einer Lage Champagner“.

Daß Gafron ein Glas zuviel davon genommen hat, ist anzunehmen. Erstens, weil laut Aussagen von Mitarbeitern der „Champagner“ nur Billigsekt war, Marke „Lutter & Wegner“. Zweitens der Sekt schon vor der Wahl im Redaktionsraum stand, mitgebracht von einem neuen Kollegen als Einstiegsgetränk. Und drittens sich Patriarch Gafron wieder einmal mit Worten verhob. Denn von Vertrauensbeweis, sagen Mitarbeiter, könne keine Rede sein.

Beim privaten Radiosender Hundert,6 sollte am Donnerstag ein Betriebsrat gewählt werden. Versuche gab es schon früher, immer wieder waren sie gescheitert, weil Mitarbeiter Angst vor Repressalien haben. Gafrons Methoden sind gefürchtet. Redakteure kommen am Morgen zur Arbeit, nehmen noch an Redaktionssitzungen teil, werden Minuten später zum Personalchef oder zum Redaktionsleiter bestellt, der ihnen mitteilt, sie seien entlassen. Mal werden Sparmaßnahmen als Begründung genannt, mal inhaltliche Differenzen. Fest steht aber immer: Die Entlassung tritt sofort in Kraft. Nachfragen oder gar Gespräche darüber, wie inhaltliche Differenzen auszuräumen seien, haben keinen Zweck. Die Redakteure räumen den Schreibtisch – und gehen. „Das ist nun einmal so bei uns“, ist zu einer geflügelten Rede im Funkhaus am Katharina- Heinroth-Ufer geworden.

Zu hören war diese auch bei dem erneuten Versuch, einen Betriebsrat zu wählen. IG Medien, Berliner Journalistenverband und Deutsche Angestellten-Gewerkschaft hatten die Versammlung einberufen. Was denn ein Betriebsrat bewirken könne, fragten Mitarbeiter. Resigniert wurde nachgeschoben: Kündigungen könnten sowieso nicht verhindert werden, und die Bezahlung von Überstunden sei sowieso nicht durchzusetzen. Kritiker am Führungsstil Gafrons schätzten ein: Die Angst vor einem Rausschmiß habe bei vielen überwogen.

So kam nicht einmal die Aufstellung eines Wahlvorstands zustande, der Voraussetzung gewesen wäre, um zur Wahl eines Betriebsrats überzugehen. Von den 82 anwesenden Beschäftigten stimmte eine knappe Mehrheit dagegen oder enthielt sich der Stimme. Zu dem Ergebnis habe auch die Anwesenheit des persönlichen Assistenten von Gafron beigetragen, sagen Hundert,6-Mitarbeiter. Gewählt wurde auf engstem Raum, zwar geheim, jedoch so, daß man jemandem über die Schulter habe schauen können.

Zur Wahl eines Betriebsrats könnte es dennoch kommen. Die IG Medien hat angekündigt, per externem Gerichtsbeschluß einen Wahlvorstand einzusetzen. Georg Gafron wertete dies als einen „Akt der Fremdbestimmung gegen die Interessen der Mitarbeiter und im Kern undemokratisch“.