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Armut macht krank

■ In Berlin diskutierten Ärzte und Sozialarbeiter über medizinische Probleme, die aus einem Leben im sozialen Abseits entstehen

„Arme Menschen sind im Vergleich zu nichtarmen durchschnittlich zwei- bis dreimal häufiger krank“, sagt Andreas Mielck, Wissenschaftler am Münchener Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit. „Ihre Lebenserwartung ist um zwei bis fünf Jahre kürzer.“ Als arm gilt hier, wer höchstens 50 Prozent des Durchschnittseinkommens verdient. In den alten Bundesländern sind dies etwa 13, in den neuen Ländern acht Prozent der Bevölkerung.

Über die Grundannahme „Armut macht krank“ mußte am vergangenen Wochenende in der Technischen Universität Berlin nicht mehr diskutiert werden. Für die Fachleute aus Medizin und Sozialarbeit, die sich hier auf Einladung der Berliner Ärztekammer zum dritten Kongreß „Armut und Gesundheit“ trafen, steht dieser Zusammenhang fest.

Sie beziehen sich dabei unter anderem auf einen Vergleich zwischen dem „reichen“ Berliner Bezirk Zehlendorf und dem „armen“ Kreuzberg; in Kreuzberg ist die Arbeitslosigkeit dreimal und die Sterblichkeit der Personen unter 65 Jahren doppelt so hoch wie in Zehlendorf. Auch das Sterberisiko für männliche Angestellte unter 65 Jahren mit einem jährlichen Einkommen von 30.000 Mark ist doppelt so hoch wie das ihrer Altersgenossen mit einem doppelt so hohen Verdienst.

„Arbeitslosigkeit ist eine zunehmende Krankheitsursache“, sagt der Berliner Arzt Johannes Spatz. Nach seinen Erkenntnissen leiden Arbeitslose wesentlich häufiger an seelischen Schwierigkeiten, Kopfschmerzen, Magen-Darm-Krankheiten und Herzbeschwerden als Leute mit festem Job. Das Problem „Armut und Gesundheit“ werde, kritisieren die Kongreßteilnehmer, von den Politikern nach wie vor ignoriert. Auch Krankenkassen und Ärzteverbände würden sich kaum engagieren. Zwar gebe es eine Vielzahl von Aktivitäten von unten, doch ein Hilfsprogramm von oben stehe aus. „Statt das Problem zu verringern, schärft es die Gesundheitsreform“, urteilt ein Wissenschaftler.

Nach Ansicht von Ellis Huber, Präsident der Berliner Ärztekammer, muß sich die Gesellschaft entscheiden, ob sie ein Gesundheitssystem will, das vor allem nach sozialem Gewinn oder nach wirtschaftlichem Profit strebe. Sein Votum ist klar: „Nicht Ausgrenzung, sondern Integration ist die Heilkunst, die die Gesellschaft braucht. Mit dem Gehalt eines Pharmamanagers“, so Huber, „können zehn bis zwölf Menschen bezahlt werden, die Obdachlosenmedizin oder Arbeitslosenberatung machen.“

Die Auswirkungen von Arbeitslosigkeit, Wohnungslosigkeit und Migration auf die Psyche der Betroffenen waren das Schwerpunktthemen des Kongresses. Untersuchungen gehen davon aus, daß 20 bis 40 Prozent der Wohnungslosen psychisch krank seien. Etwa zwei Drittel von ihnen seien bereits vor, ein Drittel nach dem Verlust der Wohnung erkrankt. Auch Migranten seien deutlich größeren Gesundheitsrisiken ausgesetzt als der Rest der Bevölkerung. Doch noch gibt es kaum Hilfsangebote, die auf die Bedürfnisse dieser Gruppen zugeschnitten sind. „Psychisch kranke Wohnungslose sitzen zwischen allen Stühlen“, urteilte der Münsteraner Professor Karl-Heinz Grohall. Sie würden weder in das Konzept der Wohnungslosenhilfe noch der psychiatrischen Versorgung passen. Alle Beteiligten seien überfordert. Grohall forderte mehr Flexibilität der öffentlichen Einrichtungen. Erste Ansätze zur Zusammenarbeit gibt es bereits: Ärzte des Sozialpsychiatrischen Dienstes in Münster besuchen regelmäßig eine Übernachtungseinrichtung der Wohnungslosenhilfe. Sabine am Orde

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