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"Schatztruhe der Nation" erwartet Kunst

■ Neubau der Gemäldegalerie am Kulturforum ist fertiggestellt. Während der Bau von den Museumsmachern als "größte Gemäldegalerie Deutschlands" gefeiert wird, rümpfen Planer über den Steinklotz die Nas

Jan Kelch langte gestern ganz dick hin. Nach sechs Jahren Bauzeit, schwärmte der Direktor der Gemäldegalerie, sei mit der Neuen Gemäldegalerie am Kulturforum ein „Glanzstück“ unter den Museumsbauten fertiggestellt worden. Die Stadt steige mit dem großen Neubau „in die höchste Spielklasse“ der Ausstellungshäuser auf. Mit der wiedervereinigten Sammlung Alter Meister von der Museumsinsel und aus den Beständen in Dahlem könne die Stiftung Preußischer Kulturbesitz „in der Champions League der Museen der Welt“ antreten – nicht mehr und nicht weniger.

Nach Ansicht von Kelch haben die Superlative schon deshalb ihre Berechtigung, weil insgesamt 2.850 Werke europäischer Kunst des 13. bis 18. Jahrhunderts ausgestellt werden können. Der rund 300 Millionen Mark teure Neubau biete auf insgesamt 23.000 Quadratmeter Fläche Raum für die Gemälde von Dürer, Holbein, Raffael, Rembrandt und Tizian. Mit seinen 65 Sälen, sagte Wolf Dieter Dube, der Chef der Museen, sei die neue Gemäldegalerie die größte Deutschlands. Nach der Fertigstellung des Gebäudes beginnt nun die Hängung der Bilder. Eröffnet wird das Museum am 12. Juni 1998.

Die Gemäldegalerie am Kulturforum entstand nach den Plänen der beiden Münchener Architekten Hilmer & Sattler, die 1991 auch den städtebaulichen Wettbewerb für den nahen Potsdamer Platz gewonnen hatten. Im Unterschied zum neuen Potsdamer Platz sei das rechteckige Museum jedoch als „klassischer Museumsbau entworfen worden“, der sich in die bereits vorhandene Architektur aus Kupferstichkabinett und Kunstbibliothek einreihe, sagte Christoph Sattler. Der Bau zeige sich in seiner Erscheinung nicht auffällig, sondern „introvertiert“.

In der Tat ist Hilmer & Sattler kein spektakuläres Äußeres gelungen. Die zweigeschossige, fast simple Fassade aus hellem Sandstein erinnert mehr an einen steinernen Büroklotz, statt seine Bedeutung nach draußen zu spiegeln. Im Inneren dagegen begegnet dem Besucher erst eine hohe schöne Rotunde, gefolgt von einer langen zentralen Pfeilerhalle, die als Wandelhalle (schon jetzt von der Berliner Schnauze wegen der langen hölzernen Sitzbänke „Wartesaal“ genannt) genutzt werden soll. Die einzelnen Ausstellungsräume gruppieren sich um den rechteckigen Saal. Im Erdgeschoß befindet sich außerdem eine kleine Studiogalerie, die allerdings den Charme eines Kellergeschosses versprüht.

Die neue Gemäldegalerie konzipierte Sattler „als reine Tageslichtgalerie“. Sowohl im „Wartesaal“ als auch in den Ausstellungsräumen dringt das Licht durch Glasdächer direkt oder „gefiltert“ in die Säle ein. Unangenehme Spiegelungen vor den Bildern sollen so vermieden werden. Außerdem statten die Architekten die Räume und Kabinette mit Wandbespannungen aus grünem, rotem und blauem Samt aus. Teuer kommt auch der Fußboden daher, der in Eichenparkett und Edelstahl ausgelegt wurde. Das Haus sei eben die „Schatztruhe der Nation“, sagte Sattler.

Während Ausstellungsmacher das Konzept der Galerie als nicht zeitgemäß kritisieren, da es auf der Museumsidee des 19. Jahrhunderts basiert – südalpine versus nordalpine Kunst –, ist der Streit um den Neubau verstummt. In der Vergangenheit hatte etwa der einstige Vizepräsident der Stiftung Schlösser und Gärten, Helmut Börsch-Supan, den Bau attackiert, da er die dezentrale Musumslandschaft Berlins zerstöre. Die Gemäldegalerie sei als Vorwendeprojekt initiiert worden, als Konkurrenz zu Ostberlin. Außerdem, so Börsch-Supan, wäre das Geld für die Sanierung der Museumsinsel heute besser angelegt, als damit solche repräsentativen Großprojekte zu finanzieren.

Konflikte gibt es weiterhin bei der Gestaltung des Vorplatzes des Museums. Für die Rampe zwischen Philharmonie und Gemäldegalerie wünscht sich die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, daß dort ein Restaurant für die Besucher gebaut wird. Dem stehen der Masterplan des Stadtentwicklungssenators und die Interessen der Scharoun-Gesellschaft entgegen. Während die Masterplaner einen begrünten Platz anlegen wollen, plädiert die Scharoun-Gesellschaft für den Bau eines Künstlerhauses auf der Fläche. Rolf Lautenschläger

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