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Roeder bringt Kanther in Not

■ Verfassungsschutz nennt Roeder-Verein "nicht signifikant rechtsextremistisch". Eine Beobachtung findet angeblich nicht statt. Hat Roeder in der Führungsakademie übernachtet?

Bonn (AFP/AP/dpa) – Im Skandal um die Kontakte des Rechtsterroristen Manfred Roeder zur Bundeswehr ist nach Verteidigungsminister Volker Rühe nun auch Innenressortchef Manfred Kanther (beide CDU) in die Kritik geraten. Nach einem Bericht der Bild am Sonntag (BamS) soll der Verfassungsschutz das 1993 von Roeder gegründete „Deutsch-Russische Gemeinschaftswerk“ inzwischen nicht mehr beobachten, da der Verein einem Regierungsvermerk zufolge „nicht signifikant rechtsextremistisch“ sei. Da gegen Roeder ein Einreiseverbot nach Rußland bestehe, stelle er keine Gefahr dar. Diese Einschätzung bedeutet laut BamS eine Kehrtwende gegenüber Februar 1996, als Kanther dem Bundestag hatte mitteilen lassen, daß „der Neonazi Manfred Roeder mit seinem deutsch-russischen Gemeinschaftswerk/Förderverein Nord-Ostpreußen zu den rechtsextremen Vereinigungen“ zähle. Als Folge des Zeitungsberichts vom Wochenende forderte Kanther einen Bericht beim Verfassungsschutz an.

Unterdessen berichtete die Wehrbeauftragte des Bundestags, Claire Marienfeld (CDU) von einem deutlichen Anstieg der rechtsextremen Vorfälle in der Bundeswehr. Bis November 1997 seien 130 solcher Fälle registriert worden, 58 mehr als im gesamten Vorjahr.

Zugleich wurden eine Reihe neuer Vorwürfe gegen die Bundeswehr laut: So soll Roeder im Anschluß an seinen Vortrag in der Führungsakademie im Januar 1995 nicht nur an einem Festessen teilgenommen, sondern auf Einladung der Akademie auch in deren Gästehaus übernachtet haben. Nach Informationen des Fernsehmagazins „Spiegel TV“ wurde Roeder auf dem Nachhauseweg von einem Offizier eskortiert. Focus berichtet von einem Zwischenfall bei den Ifor-Truppen in Kroatien, wo angeblich deutsche Soldaten „Sieg Heil“ und „Heil Hitler“ grölten.

Der Spiegel schreibt darüber hinaus in seiner neuesten Ausgabe, bereits fünf Jahre vor dem Auftritt Roeders hätten Studenten aus dem rechtsradikalen Umfeld die Führungsakademie der Bundeswehr besucht. Die Studentenvereinigung mit dem Namen „Gruppe 146“ soll 1990 an einer Veranstaltung der Führungsakademie zum Thema „Deutsche Einheit“ teilgenommen haben. Die Gruppe habe zum Zeitpunkt der Veranstaltung bereits als rechtsradikal gegolten. Zudem seien an der Bundeswehruniversität in Hamburg wegen angeblicher antisemitischer Äußerungen disziplinarische Vorermittlungen gegen Studenten eingeleitet worden, nachdem Offiziersanwärter der Hochschule beim Besuch der KZ-Gedenkstätte Neuengamme gesagt hätten: „Es ist so kalt, leg' im Krematorium mal ein paar Juden nach, die brennen so gut.“ Das Verteidigungsministerium betonte, die Identität des fraglichen Studentenkreises stehe noch nicht vollständig fest. Der Vorgang werde weiter untersucht, auch Konsequenzen „disziplinarer Art“ seien zu prüfen. Die Vorwürfe gegen die Bundeswehruniversität könnten dagegen „nicht bestätigt werden“.

Roeder, der 1995 bei einer Veranstaltung der Bundeswehr-Führungsakademie als Referent aufgetreten war, hatte für sein „Gemeinschaftswerk“ drei Bundeswehrfahrzeuge für angeblich humanitäre Zwecke erhalten. Die SPD-Innenpolitikerin Cornelie Sonntag- Wolgast forderte, die Vorwürfe gegen Kanther müßten in dem am Freitag eingesetzten Untersuchungsausschuß zu Rechtsextremismus bei den Streitkräften „durchleuchtet“ werden.

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