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Die komische Contra, die Castro stürzen will

Wie aus halbkriminellen Kreisen ehemaliger Militärs in El Salvador Bombenleger auf Kuba wurden  ■ Aus San Salvador Toni Keppeler

Höchstwahrscheinlich „unschuldig“ sei Raul Ernesto Cruz Leon, tönte El Salvadors Innenminister Mario Acosta Oertel, als der 26jährige Salvadorianer Anfang September in Havanna verhaftet wurde. Die Bomben, die Cruz Leon in Hotels der kubanischen Hauptstadt gelegt habe, seien schlicht „ein internes Problem der Kubaner“.

Cruz Leon wartet jetzt in Havanna auf seinen Prozeß. Und Acosta Oertel ist inzwischen still geworden. Denn mittlerweile ist bekannt, daß Cruz Leon alles andere als ein Unschuldslamm ist.

Mitte September war es, als Cruz Leon im kubanischen Fernsehen gestand: Ja, er habe sechs Bomben gelegt. Fünf explodierten in Hotels, eine in der Touristenkneipe „La Bodeguita del Medio“. Der italienische Geschäftsmann Fabio di Celmo kam dabei ums Leben. Exilkubaner hätten ihn angeheuert, erzählte Cruz Leon, und ihm 4.500 Dollar pro Bombe bezahlt. Adalberto Rabeiro von Kubas Innenministerium ergänzte: Der Attentäter sei in El Salvadors Armee und in den USA ausgebildet worden.

Von El Salvadors Militär direkt in die Unterwelt

Für einen solchen US-Aufenthalt von Cruz Leon gibt es zwar keinerlei Hinweise. Und der Attentäter war 1991 gerade acht Monate lang an der Militärakademie von San Salvador, bevor er die harte Soldatenkarriere vorzeitig abbrach. Aber in der Militärakademie fand Cruz Leon Freunde, die ihm den Weg in El Salvadors Unterwelt wiesen: Francisco Antonio Chavez („der Dicke“), Victor Manuel Palma und José Eduardo Ramirez. Palma war der einzige, der beim Militär blieb. Auf Grund der Protektion des Offiziers Reynaldo Antonio Colocho stieg er in den Generalstab auf.

Mitte 1994 wurde dieser Freundeskreis zum erstenmal gerichtsnotorisch. Die Staatsanwaltschaft ermittelte gegen Palma, Colocho, Ramirez und Cruz Leon wegen Autodiebstahls und bewaffneter Raubüberfälle. Sechzehn Kisten geklauten Wodkas wurden beschlagnahmt. Doch die Ermittlungen verliefen im Sande.

Im Januar 1995 gründeten Palma und Ramirez die Autovermietungsgesellschaft „GEO rent- a-car“. Die diente als Tarngesellschaft zum Verschieben geklauter Limousinen. Chavez und sein Vater haben nachweislich mehrfach Papiere des GEO-Fuhrparks benutzt, um gestohlene Luxuskarossen zu legalisieren. Cruz Leon arbeitete eine Zeit lang als Werbeleiter der Autovermietung.

Chavez' Vater war nicht neu im Geschäft mit dubioser Ware. In den achtziger Jahren verscherbelte er auf dem salvadorianischen Militärflughafen Ilopango Waffen an die antisandinistische Contra von Eden Pastora in Nicaragua. Heute sitzt er wegen eines Millionenbetrugs im Knast: Er soll der Sozialversicherung abgelaufene Medikamente verkauft haben.

Auf einem Schießplatz in der Nähe San Salvadors, wo sich Chavez junior, Ramirez, Palma und Cruz Leon früher gern trafen, soll Cruz Leon schließlich einen kubanischen Waffenspezialisten kennengelernt haben. Ende 1996 prahlte Palma vor Schützenfreunden, man sei mit dem Kubaner handelseinig geworden und werde demnächst „ein paar Arbeiten auf Kuba erledigen“.

Als erster reiste der junge Chavez nach Kuba. Aufzeichnungen der Grenzbehörden belegen, daß er im Dezember 1996 und im April 1997 in Havanna war. Diesen Dokumenten zufolge verließ er die Insel am 11.April. Am nächsten Tag explodierte die erste Zeitzünderbombe in einem Hotel.

Cruz Leon war vom 9. bis zum 14.Juli in Havanna. Die zweite Reise begann er am 31.August. In die Zeit seiner Aufenthalte fallen sechs Bombenattentate. Mehrere Zeugen bestätigen, daß Sohn Chavez die Tickets bezahlte und Cruz Leon zum Flughafen brachte.

Am 4.September wurde Cruz Leon verhaftet. Die kubanischen Behörden hielten den Fahndungserfolg für ein paar Tage unter dem Deckel. Am 6.September, dem Tag der geplanten Rückreise, verlangten sie von ihm, er solle seinen Chef anrufen. Cruz Leon ließ sich mit Chavez verbinden.

Seitdem ist der Unterwelt- Freundeskreis von Cruz Leon nicht mehr das, was er einmal war. Sohn Chavez ist abgetaucht. Ramirez ist derzeit wegen eines undurchsichtigen Mordes in Untersuchungshaft. Colocho will von nichts eine Ahnung haben.

Von der Schweinebucht in den Drogenhandel

Kopf des Unternehmens war nach Recherchen des Miami Herald der Exilkubaner Luis Posada Carriles. Er beteiligte sich schon an der gescheiterten Invasion in der Schweinebucht auf Kuba 1961 und soll als Mitarbeiter des Geheimdienstes von Venezuela für den Anschlag auf eine kubanische Linienmaschine am 6.Oktober 1973 mitverantwortlich sein, bei dem 73 Menschen in die Luft gesprengt wurden. Posada Carriles wurde verhaftet, konnte aber 1985 aus dem Gefängnis fliehen. Kurz danach organisierte er in El Salvador den Waffen- und Lebensmittelnachschub für Nicaraguas Contra. Derzeit ermitteln die Behörden in Honduras gegen ihn. Er soll für eine Serie von Bombenanschlägen auf Präsident Carlos Roberto Reina verantwortlich sein, weil dieser diplomatische Beziehungen zu Kuba anbahnte.

1996 habe Posada Carriles in kubanischen Exilkreisen Geld für Bombenanschläge in Havanna gesammelt, berichtet der Miami Herald. Ende 1996 kündigte er in einem Fernsehinterview an, es werde demnächst Anschläge auf touristische Ziele auf Kuba geben. Seit seiner Zeit als Contra-Unterstützer besitzt der Exilkubaner unter anderem einen salvadorianischen Paß, zu Zeiten der Bombenanschläge in Havanna lebte er in San Salvador.

Einen Teil seiner dunklen Machenschaften soll Posada Carriles mit Gewinnen aus dem Drogenhandel finanziert haben. Damit eröffnet sich eine weitere Spur. In den vergangenen Jahren arbeitete Cruz Leon immer wieder als Leibwächter in den Nobeldiskotheken des Musikunternehmers Mario Villacorta in San Salvador, wo mexikanischen Schlagerstars auftreten. Wenn in San Salvador das Kokain knapp wird, ist die Ware in Villacortas Diskos immer zu haben. Villacorta organisierte in El Salvadors Bürgerkrieg zusammen mit Freunden paramilitärische Einheiten im Dienste der Militärs, die häufig als Todesschwadrone eingesetzt wurden — und aus dieser Zeit verbindet ihn eine enge Freundschaft mit dem heutigen Innenminister El Salvadors: Mario Acosta Oertel.

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