Weil Verteidigungsminister Volker Rühe Bundeswehrgelöbnisse auf Marktplätzen abhalten will, debattiert man in Berlin und Hamburg um den rechten Platz der Armee im Land. Auf gemischtes Echo stieß dabei der Vorschlag des Hamburger Bürgermeist

Weil Verteidigungsminister Volker Rühe Bundeswehrgelöbnisse auf Marktplätzen abhalten will, debattiert man in Berlin und Hamburg um den rechten Platz der Armee im Land. Auf gemischtes Echo stieß dabei der Vorschlag des Hamburger Bürgermeisters Ortwin Runde, für derartige militärische Zeremonien KZ-Gedenkstätten zu öffnen.

Die Leiterin der KZ-Gedenkstätte Dachau, Barbara Distel, lehnt diesen Vorschlag ab –

den Ignaz Bubis unterstützt.

Die Armee, der Schwur und der Tod

Es gibt Leute, die meinen, das Ganze sei ein Trick gewesen, ein wahltaktisches Störmanöver sozusagen. Wo doch Volker Rühe, der Bundesverteidigungsminister und Urheber der ganzen Aufregung, quasi hauptberuflich für Manöver zuständig ist – und als starker Mann in Helmut Kohls Wahlkampfmannschaft ganz nebenbei auch ein bißchen fürs Stören der gegnerischen Linien. Als Opfer dieser Manöver sehen sich vor allem SPD und Grüne, und so ist es nicht allzu verwunderlich, wenn sich die Anhänger der Theorie vom trickreichen Volker vor allem in deren Reihen finden.

Die Bundeswehr solle in diesem Jahr öffentlich stärker präsent sein, hatte der Verteidigungsminister kurz nach Neujahr gefordert, und weil er sich dabei offenbar nicht auf die wechselhafte Witterung über den Oderdeichen verlassen wollte, verkündete er einen Plan. Mehr öffentliche Gelöbnisse von Rekruten seien geboten, am besten an geschichtsträchtigen Orten und ebensolchen Daten. Drei Veranstaltungen kündigte er an: Am 13. August, dem Jahrestag des Mauerbaus, sollten Rekruten vor dem Roten Rathaus in Berlin sowie in Bremen ihr Gelöbnis ablegen. Für seine Heimatstadt Hamburg nannte er kein Datum, schlug dafür aber den repräsentativen Rathausmarkt vor.

Sollte Rühe tatsächlich im Sinn gehabt haben, die Roten und die Grünen durcheinanderzuwirbeln, so hatte er Erfolg. In Berlin waren sich SPD, Grüne und PDS in zwei Punkten einig: Weder der Tag des Mauerbaus noch der Platz vor dem Roten Rathaus im ehemaligen Machtzentrum der DDR kämen in Frage. Damit allerdings endet die Gemeinsamkeit der drei Parteien. Die Grünen und die PDS wollen Gelöbnisse grundsätzlich auf Kasernen beschränken. Umgetrieben von der sozialdemokratischen Erbfurcht, als vaterlandslose Gesellen zu gelten, legten hingegen der SPD-Landeschef Dzembritzki und sein Fraktionschef Böger bereits im Vorfeld ein Bekenntnis zum Gelöbnis ab: Prinzipiell begrüße die SPD öffentliche Gelöbnisse. Nur der Termin 13. August sei „falsch gewählt“, eine Verknüpfung der Bundeswehrveranstaltung „mit dem ausgesprochen symbolträchtigen und für uns alle schmerzhaften Datum des Mauerbaus“ sei unangebracht. Während einzelne Berliner Politiker bereits munter Ausweichorte und -daten handeln, den Jahrestag der Luftbrücke etwa oder den Tag des Hitlerputsches, haben die Dinge in Hamburg eine weitere Wendung genommen. Der eher linke Regierende Bürgermeister, Ortwin Runde, konterte mit einem Gegenvorschlag. Nicht der von Rühe gewünschte Rathausmarkt sei der geeignete Ort, sondern die KZ- Gedenkstätte Neuengamme. Neuengamme sei „dem kritischen Umgang mit der Vergangenheit dienlich“, den Rathausmarkt hält Runde für eine „zu bequeme Lösung“. Die höchst unterschiedlichen Reaktionen auf Rundes Vorschlag deuten darauf hin, daß mit dem Beginn der neuen „Berliner“ Republik auch die alten Gewißheiten der Bonner Republik zu verschwinden scheinen. Wann gab es das je zuvor, daß die stramm linke Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) und der markige Rechte Volker Rühe einer Meinung waren? Beide lehnten den Vorschlag rundweg ab. Ignaz Bubis hingegen, Vorsitzender des Zentralrats der Juden in Deutschland und durchaus ein Freund eindeutiger Worte, schickte seiner Einschätzung die Warnung vor Vereinfachung voraus: In dieser „emotional so befrachteten Frage“ könne es keinen Konsens im Zentralrat geben – auch wenn er persönlich zu Gelöbnissen in einem ehemaligen KZ sage: „Macht das.“ Detlef Garbe, der Leiter der Gedenkstätte Neuengamme, lehnt die Idee ab: „Ich könnte mir hier etwas Waffenklirrendes nur sehr schwer vorstellen.“ Kurios sei die Debatte um KZ- Mahnmale als nationale Weiheorte dennoch: In der Bonner Republik hätten die Gedenkstätten stets im Verdacht gestanden, Wasser auf die Mühlen der Kommunisten zu lenken. Patrik Schwarz