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Muster ohne Ausstiegs-Wert

HEW fordern Senat heraus: Keine Zahlen für ein Gutachten zum Ausstieg aus den AKWs  ■ Von Achim Fischer

Die Hamburgischen Electricitätswerke (HEW) fordern den Senat und insbesondere Umweltsenator Alexander Porschke (GAL) zur Kraftprobe heraus. Der Stromkonzern sperrt sich dagegen, daß die Stadt als Mehrheitseigentümerin Einblick in die Unternehmensbilanzen nimmt. SPD und GAL brauchen die Zahlen für ein Gutachten, auf das sie sich in den Koalitionsverhandlungen geeinigt hatten. Es soll die vermutete schlechte Wirtschaftlichkeit der HEW-Atommeiler im Vergleich zu Gaskraftwerken untersuchen. Doch ohne verläßliche Zahlenbasis könnte das Gutachten nicht zu dem von der GAL erhofften schlagkräftigsten Mittel werden, das die HEW zum Ausstieg zwingt.

Es gebe ein „schwieriges Problem“, gestand Porschke diese Woche nach einem Gespräch mit HEW-Chef Manfred Timm: Der Konzern wolle „unternehmensinterne Daten“nicht nennen. Die HEW wehren sich vor allem dagegen, daß ihre Stromproduktionskosten – die sogenannten Gestehungskosten – in der Studie genannt oder aus ihren Angaben errechnet werden können. „Die werden sicher nicht in dem Gutachten stehen“, bestätigte HEW-Sprecher Johannes Altmeppen. Der Konzern verweist auf konkurrierende Stromanbieter und feilschende Großkunden, die die Zahlen ausschlachten könnten.

Der Umweltsenator und nebenberufliche HEW-Aufsichtsrat findet dieses Interesse „legitim“. Dennoch sieht er Möglichkeiten, „eine belastbare Aussage, der man vertrauen kann“, zu finden. Es seien „konstruktive Vorschläge gemacht worden“. Welche? „Die Gespräche laufen noch. Ich möchte den Ergebnissen nicht vorweggreifen.“

Nach Informationen der taz ist unter anderem im Gespräch, nicht die Gutachter selbst, sondern vereidigte Wirtschaftsprüfer Einblick in die HEW-Bücher nehmen zu lassen. Deren Erkenntnisse in Sachen Produktionskosten dürften allerdings nicht in dem Gutachten genannt werden. Ebenfalls denkbar wäre, statt konkreter Kosten zumindest Preisspannen für verschiedene Stromquellen zu nennen – womit die Genauigkeit des Vergleiches leiden würde.

„Es gibt Ansätze, um belastbare Ergebnisse zu finden, ohne dem Senat unternehmensinterne Daten zu nennen“, orakelt HEW-Sprecher Altmeppen. Hinter den Kulissen werden einige deutlicher: „Das wird eine politische Entscheidung, bei der es am Rande auch um Fakten geht“, sagt einer. Und der Wert einer Wirtschaftlichkeitsstudie, die keine Kosten benennt? „Das habe ich mich auch schon gefragt“, heißt die Antwort meistens.

„Es wäre wünschenswert, die genauen Daten zu haben“, sagt einer der potentiellen Gutachter. „Man kann die Daten auch von außen schätzen. Aber das würde die Sicherheit der Untersuchungsergebnisse beeinträchtigen. Und es ist doch sowohl im Interesse des Umweltsenators als auch der HEW, wenn ein Gutachten erstellt wird, das möglichst nahe an der wirtschaftlichen Realität bleibt.“

Wie nahe die Gutachter den HEW kommen dürfen, kungeln derzeit Bürgermeister und HEW-Aufsichtsratsvorsitzender Ortwin Runde (SPD), der Umweltsenator und der HEW-Vorstand aus. Das Parlament ist außen vor. Ein Gutachten ohne interne Daten des Konzerns? „Davon weiß ich nichts“, gesteht Anke Hartnagel (SPD), Vorsitzende des Umweltausschusses der Bürgerschaft. GAL-Energiesprecher Lutz Jobs hofft, „daß die Umweltbehörde nicht automatisch alles akzeptiert“. Womit er noch ein anderes Problem meint.

Nach taz-Informationen ist zur Zeit noch offen, ob alle vier AKWs Stade, Brunsbüttel, Brokdorf und Krümmel untersucht werden sollen, wie es im Koalitionsvertrag steht, oder nur der Meiler in Brunsbüttel. „Das wäre eine Farce. Das würde unsere Zustimmung nicht bekommen“, schimpft Jobs. „Dann können wir uns das Gutachten auch sparen“, bekräftigt sein GAL-Kollege Axel Bühler. Grund der Aufregung: Ginge allein Brunsbüttel vom Netz, wäre nur ein relativ kleines Ersatzkraftwerk nötig. Der Ausstieg würde sich kaum lohnen. Nur Brunsbüttel zu überprüfen, sei „eines von vielen Modellen“, bestätigte HEW-Sprecher Johannes Altmeppen, daß die grünen Befürchtungen nicht unbegründet sind.

Derweil laufen die Verhandlungen zwischen Stromkonzern und Senatoren weiter. Es gebe „Differenzen in der Sacheinschätzung und emotionale Differenzen“, beschreibt Porschke die Lage in der Herrenrunde. Die GALier wollten das Papier ursprünglich bis zur Aktionärsversammlung der HEW Ende Mai vorliegen haben. Die Gutachter aber werden voraussichtlich sechs Monate für ihre Arbeit benötigen. Und die Auftragsvergabe, kündigte Porschke an, werde noch mehrere Wochen dauern.

Den Zeitplan der GALier, soviel steht heute schon fest, haben die HEW bereits ausgehebelt.

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