■ Die Börse macht die Bundesliga zur geschlossenen Gesellschaft
: Alles nur noch Aufsteiger

Wenn Gerhard Mayer-Vorfelder laut nachdenkt, ist das Geschrei hinterher immer groß. Am letzten Wochenende war es wieder soweit: Der Lieblingsschurke aller Fußballinteressierten, die sich als Fans verstehen und nicht als Kunden oder potentielle Aktienkäufer, forderte, die Anzahl der Bundesliga-Absteiger von drei auf eins zu reduzieren – und damit auch die sportliche Attraktivität der ersten und erst recht der zweiten Liga.

Die Empörung über „MV“ verwundert in diesem Fall besonders, weil jeder weiß, daß ohnehin alsbald eintreten wird, was er verlangt: Wenn die Fußballbundesliga zur Börsen-Fußballbundesliga wird, werden ihre Unternehmen so gut wie möglich sicherstellen, daß ihr wirtschaftliches Wohl nicht von sportlichen Unwägbarkeiten beeinflußt wird. Sollte es dann noch einen Absteiger geben, kann sich der Fan sogar freuen. Wahrscheinlicher ist, daß die Liga zu einer geschlossenen Gesellschaft wird.

Klingt so, als ob das gute alte Fußball-Abendland vor dem Untergang stünde. Aber sollen wir uns deshalb abwenden? Kaum denkbar! Ob und wie man durch Fußball intellektuelle und emotionale Bedürfnisse befriedigen kann, hängt jeweils vom Individuum ab; wie jeder andere unterhaltungsindustrielle Sektor bietet der Fußball Nischen respektive die Möglichkeit, sich selbst welche zu schaffen. Jetzt vom Fußball abzulassen – das wäre ungefähr so, als gingen wir nicht mehr ins Kino, weil manche Strategen in Hollywood echt miese Schweine sind.

Leider neigen Fußballfans zur Nostalgie. Sicher. Daß Clubs an die Börse gehen und die Mayer-Vorfelders die Stadien umwandeln wollen in Disneyländer für nicht mehr ganz so kleine Kinder – darunter werden viele traditionelle Anhänger zu leiden haben, die sich Fußball dann nicht mehr leisten können. Andererseits war das Leben im Stadion in den 80er Jahren (Hooligans!) oder ein Jahrzehnt früher, als sich Rabauken der noch etwas älteren Schule in Szene setzten, auch nicht immer angenehm.

Wenden wir also hoffnungsvoll unseren Blick in das Mutterland des Fußballs. Wenn man dem britischen Architekturkritiker Simon Inglis glauben kann, ist die Lage gar nicht so düster: „Die Leute, die das Sportgeschäft betreiben, sind nicht klug genug und haben nicht einmal die Zeit, zukünftige Trends zu planen. Wenn man die Architektur von Fußballstadien mit der von Shopping-Centern oder Kinos vergleicht, kann man sehen, daß Sport immer hinterhergehinkt ist.“ René Martens