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Scheitert Scherf an Schröder?

■ Im Bundesrat könnte es eine Mehrheit für den Kompromiß von Henning Scherf in Sachen Lauschangriff geben – dazu müßte aber das Land Niedersachsen zustimmen

Im Bremer Justizressort, wo die Politik des Bremer Regierungs-chefs Henning Scherf (SPD) zum Lauschangriff fachlich koordiniert wird, wurde in den letzten Tagen eifrig mit dem Taschenrechner gespielt. Denn Scherf würde seine Zustimmung zu der Grundgesetzänderung gerne als Erfolg feiern, wenn er dabei durchsetzen könnte, daß das Lausch-Verbot auch gegenüber Ärzten, Journalisten und Rechtsanwälten gilt. Dafür bräuchte er aber eine fest verschworene Mehrheit im Bundesrat.

Wenn die Grundgesetzänderung einmal beschlossen ist, könnte man auf die Zustimmung der rotgrün regierten Länder zu dieser kleinen Nachbesserung rechnen, mit dabei wären also NRW (6 Stimmen), Hessen (4 Stimmen), Schleswig-Holstein (4 Stimmen) und Sachsen-Anhalt (4 Stimmen). Oskar Lafontaine, dessen Saarland bisher immer für den Lauschangriff in seiner gerade vorliegenden Form gestimmt hat, würde sich anschließen (3 Stimmen), Manfred Stolpe in Brandenburg (4 Stimmen) aus Loyalität zum SPD-Vorsitzenden eventuell auch, Rheinland-Pfalz (4 Stimmen), dessen Justizminister immer kritisch war, könnte man vielleicht gewinnen – macht genau 29 Stimmen.

Dann fehlen für die einfache Mehrheit von 35 Stimmen genau 6 Stimmen. Da man nicht auf die CDU-regierten Länder setzen kann, bleiben zwei Chancen für eine Mehrheit: Bremen (3) und Berlin (4) mit ihren großen Koalitionen müßten standhaft für Scherf sein – oder eben Niedersachsen mit seinen 6 Stimmen.

Berlin kann man ausschließen, und auch die Bremer CDU würde wider ihre eigene Überzeugung handeln und aus Wahlkampf-Gründen Scherf diesen Erfolg kaum gönnen. Zumal Scherf als Gegenleistung wenig anzubieten hätte.

Bleibt also Niedersachsen. Scherf muß diese Konstellation deutlich vor Augen gehabt haben, als er dem Spiegel dieser Tage ein Interview gab. Denn dort tut er die Position des niedersächsischen Innenministers und Kronprinzen Gerhard Glogowski, der wie Schröder klar zu dem Lauschangriff steht, als „Frust“ab und kommentiert: „Warum soll ich den Frust einzelner in der Partei wichtiger nehmen als die Zuversicht meines Vorsitzenden (Lafontaine, d.Red.), der sagt: Das kriegen wir hin?“

Glogowski hat an diesem Wochenende aber seine Position bekräftigt: „Ich sehe keine Änderungsnotwendigkeit“, erklärte er, alle Argumente seien seit einem Jahr „außerordentlich sorgfältig beraten“worden. Schröder will ein Scheitern des Lauschangriffs nicht als Wahlkampfthema für die letzten Wochen vor der Niedersachsenwahl haben. Und er hat keinen Grund, Scherf und Lafontaine den Erfolg zu gönnen.

Was passiert also am Freitag im Bundesrat? Wird Scherf, wenn es keine Nachbesserungs-Mehrheit gibt, zu seiner ursprünglichen Überzeugung und dem „Nein“zum Großen Lauschangriff zurückkehren? Der Spiegel versuchte mit mehreren Nachfragen, eine klare Antwort aus dem Bremer Regierungschef herauszukitzeln: Kann Scherf sich vorstellen, den Großen Lauschangriff mit den Bremer Stimmen zu verhindern? Scherf: „Bremen ist doch das kleinste Bundesland. Da will ich nicht so tun, als ob die Bundesrepublik ausgerechnet an uns hängt. Ich muß jedenfalls ganz vorsichtig sein.“Und an anderer Stelle: „Ich habe die Große Koalition nun mal, und ich möchte die nicht gefährden.“ K.W.

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