: Auf Heller und Pfennig
Die GAL lernt regieren: Rot-grüne Haushaltsberatungen verlaufen konstruktiv und friedlich ■ Von Florian Marten
Auf der Bühne machte sich in den vergangenen Wochen öffentlichkeitswirksam der Theaterdonner um das Soldatengelöbnis auf Hamburgs Rotem Platz breit. Hinter den Kulissen absolviert derweil die frischgebackene rot-grüne Landesregierung ihren ersten echten Test: Bis Ende April muß der 18,5 Milliarden Mark fette Stadthaushalt 1998 seinen endgültigen parlamentarischen Segen erhalten. Der Senat regiert derzeit nur per „vorläufiger Haushaltsführung“.
Eine entscheidende Rolle spielt dabei der Haushaltsausschuß der Bürgerschaft, der heute abend nach acht langen Sitzungen die 98er- Haushaltsvorlage des Senats in erster Lesung verabschieden wird. Bis zum 6. März folgt ein zweiter Durchgang, anschließend ist vom 27. bis 29. April die Bürgerschaft dran. Unter Führung des Ausschußvorsitzenden Jan Ehlers (SPD) und der neuen GAL-Haushaltsexpertin Anja Hajduk hat Rot-Grün, so zeigt sich schon jetzt, zu einem effizienten und weitgehend reibungslosen Arbeitsstil gefunden. Ehlers: „Ich bin zufrieden. Die ganze Atmosphäre ist konstruktiv.“
Der Regierungswechsel und die seit der Steuerschätzung im November erneut dramatisch verschlechterte Haushaltslage Hamburgs erforderten eine grundlegende Überarbeitung des alten rot-grauen Haushaltsplans für 1998. Der Senat präsentierte noch einen Tag vor Weihnachten eine umfangreiche Vorlage. Darin ist unter anderem ein neues Sparkonzept enthalten, welches das mindestens 300 Millionen Mark große Zusatzloch des Jahres 1998 durch städtische Vermögensverkäufe decken und den Beginn des eigentlichen Sparens auf die Jahre 1999 bis 2001 verschieben will.
Diese Vorlage wird nun vom Haushaltsausschuß geprüft, was vor allem der GAL einiges abverlangt: Findet sich die 94seitige Koalitionsvereinbarung in den Haushaltszahlen wieder? Sind die rote und die grüne Klientel gerecht bedient worden? Sind Maßnahmen für die nächsten Hiobsbotschaften von der Einnahmefront vorgesehen, welche aller Voraussicht nach die Steuerschätzung im Mai mit sich bringen wird?
Bei der Beantwortung all dieser Fragen zeigen sich im Ausschuß gänzlich ungewohnte Rollenspiele: Während früher vor allem die GAL durch fleißigen Oppositionsparlamentarismus glänzte, derweil die SPD-Abgeordneten Handy-Pausen nahmen und Strichmännchen malten, lastet jetzt die ganze Oppositions-Arbeit auf den schmalen Schultern der CDU. Trotz ihrer verjüngten Crew halten die Christdemokraten dabei an ihrem behäbigen Stil fest: Verteidigungsreden für die Bonner Koalition prägen das Bild – Rot-Grün wird nur selten präzise attackiert.
Unterdessen lernen die GAL-ParlamentarierInnen, was es heißt, als Abgeordnete eine Regierung zu stützen. Keine Show-Statements, sondern strikte Ergebnisorientierung prägen das Abgeordnetenbild. Zwar betont Anja Hajduk: „Wir sind bereit, auch mal Anträge gegen die Regierung zu stellen“oder „kritische Fragen“zu wagen, doch zugleich läuft die neue Regierungsmaschine überraschend gut geschmiert.
Fragezeichen aus grüner Sicht gibt es noch beim Thema Verkehr, wo sich der koalitionäre Wille zu mehr Fahrradfreundlichkeit noch nicht so recht in den Ausgaben spiegelt. Im Bereich Arbeit und Soziales geht es vor allem um die Frage, ob die Maßnahmenumsetzung auch GAL-kompatibel ausgefallen ist. Große Streitpunkte jedenfalls sind bisher nicht aufgetaucht.
Auch innerhalb der GAL-Rathaus-Crew haben sich die Regierungsmechanismen schon erstaunlich schnell durchgesetzt. Die 17 Jahre Rathaus-Erfahrung der GAL zahlen sich aus: Das Zusammenspiel von Fraktion, Fraktionsspitze, Haushaltssprecherin und grünen SenatorInnen funktioniert. Die Absprachen mit der SPD werden routiniert abgewickelt. Und die neuen Informationskanäle sorgfältig eingeweiht, auch wenn Finanzbehörde und Sozialdemokraten sich da ab und zu noch ein wenig schwer tun. Der Wille zu konstruktiver und verantwortlicher Zusammenarbeit, der schon die Koalitionsverhandlungen prägte, hat bislang auch im parlamentarischen Alltag seine Fortsetzung gefunden.
Allerdings waren bisher auch noch keine großen Probleme zu bewältigen. Was aber, wenn im Mai neue Finanzlöcher auftauchen? Wenn doch noch handfest gespart werden muß? Wenn der Verteilungskampf im Senat ausbricht? GAL-Haushaltsexpertin Hajduk: „Da bin ich überfragt. Da sehe ich auch noch nicht so ganz die Lösung.“
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