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„Solidarischer Druck auf Algeriens Demokraten“

■ Der bündnisgrüne Algierbesucher Daniel Cohn-Bendit über die Gründe für seine Sonderwünsche

taz: Wieso setzten Sie sich so für FIS-Gründer Ali Benhadj ein?

Daniel Cohn-Bendit: Er ist der einzige der – wenn überhaupt noch jemand – Einfluß unter den Bewaffneten Islamischen Gruppen hat. Vor meiner Abreise habe ich Vertreter der Auslandsleitung der Islamischen Heilsfront (FIS) getroffen. Die haben zugegeben, daß sie 1990/91 mit ihrer Propaganda gegen die Demokratie als „System der Ungläubigen“, die Benhadj verbreitet hat, falsch lagen. Es ist nicht die Frage, ob ich das glauben soll, sondern ob sie bereit sind, das öffentlich einzugestehen.

Und das soll Benhadj tun?

Selbst entschiedene Gegner der Islamisten bestätigen, daß dafür nur Benhadj in Frage kommt.

Viele Algerier behaupten, die FIS hätte keinen Einfluß mehr.

Ich glaube das nicht. Die FIS erhielt bei den Wahlen 1991 fast drei Millionen Stimmen. Das war das Ergebnis der Politik der ehemaligen Einheitspartei FLN. Sie setzte seit den späten 70er Jahren auf eine Islamisierung der Gesellschaft. Als 1988 die Kinder des FLN-Staates auf die Straße gingen, wollte ein Teil der FLN eine Machtteilung mit der FIS. Aber die Wahl ging verloren. Die Militärs putschten. Nicht, um einen säkularen Staat zu verteidigen, sondern um ihre Macht zu erhalten.

Heute hat Algerien wieder ein Parlament. Welchen Eindruck haben Sie davon?

Die Parlamentarier entwickeln zusehends Selbstbewußtsein. Es gibt drei Lager in der algerischen Gesellschaft: die konservativen Islamisten, zu denen die beiden legalen Parteien Hamas-MSP und an-Nahda gehören, aber auch die verbotene FIS, ein autoritär-nationalistisches Lager aus FLN und der Präsidentenpartei RND, sowie ein sehr schwaches demokratisches Lager, die republikanische RCD, die sozialistische FFS und die trotzkistische PT. Die Demokraten gilt es zu stärken, um eine Bipolarisierung zwischen Staat und Islamisten zu überwinden.

Kann Europa da helfen?

Ja. Die algerischen Demokraten müssen zusammengehen. Solidarischer Druck von außen wäre da sehr hilfreich. Europa muß Parlament, Parteien und unabhängige Organisationen unterstützen. Interview: Reiner Wandler, Algier

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