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Rechnen kann auch Spaß machen

Im Kulturbetrieb soll immer mehr gespart werden. Doch oft sind die Sparvorschläge der Mitarbeiter viel intelligenter, als die der Politiker. Das Ziel: die Modernisierung der staatlichen Kulturbürokratie  ■ Von Ariel Hauptmeier

Das Problem ist bekannt: Städte und Gemeinden können immer weniger Geld für Kultur ausgeben. Gekürzt wird dann oft nach dem Rasenmäherprinzip – bei allen etwas. Gleichzeitig versickern gewaltige Summen in der aufgeblähten Kulturbürokratie, nach dem Motto: acht Beamte organisieren eine Kinderfreizeit. Und Besucherfreundlichkeit ist ein Fremdwort – Bibliotheken haben ausgerechnet am Wochenende geschlossen.

Lange hat sich der Kultursektor gegen „Leistungsdenken“ gesträubt – Kunst geht nicht nach Brot, hieß es. Doch mit der Finanznot stieg die Bereitschaft zum Modernisieren. Jetzt macht das Schlagwort „dezentrale Ressourcenverantwortung“ auch in Kulturämtern die Runde. Musikschulen, Jugendzentren und Galerien sollen künftig selbst über ihr Budget entscheiden. Der zentrale Haushaltsplan, klassisches Instrument der Kameralistik, wird eingemottet. So soll die Eigeninitiave der Mitarbeiter erhöht und die Leistung für die Bürger verbessert werden. Spart eine Bibliothek Strom, soll sie künftig mehr Bücher kaufen können.

„Aus dieser Dezentralisierung ergibt sich ein enormer Fortbildungsbedarf“, sagt Bernd Wagner von der „Kulturpolitischen Gesellschaft“. Das Gelingen der Reform hänge davon ab, ob die Mitarbeiter in die Lage versetzt werden, auf die neuen Anforderungen zu reagieren. Vor zweieinhalb Jahren hat die Kulturpolitische Gesellschaft darum ein Modellprojekt gestartet, um „den Wandel durch Fortbildung zu begleiten“. Bernd Wagner und seine Kollegen veranstalteten insgesamt 39 Kurse, in denen die staatlichen Kulturverwalter Marketing und Controlling, Kundenorientierung und Öffentlichkeitsarbeit büffeln konnten.

Zum Beispiel Nürnberg. Dort entschlossen sich die stadtteilnahen Kulturläden zur Modernisierung. Am Anfang stand das Selbststudium: Was ist eine Kostenstelle? Wie geht Leistungsrechnung? Dann kam das Modellprojekt zu Hilfe, und die Mitarbeiter belegten Kurse in Controlling, Marketing und innerbetrieblicher Kommunikation. „Ohne diese Fortbildung wäre die Umstrukturierung sehr viel mühsamer gewesen“, sagt Matthias Strobel, der die Reform betreute. Dank der Unterstützung durch Experten sei es auch gelungen, die Mitarbeiter immer wieder neu zu motivieren. Denndie Verwaltungsreform bedeutet mehr Arbeit für den einzelnen. Wobei manche entdecken: Rechnen kann auch Spaß machen.

„Zugleich haben wir die Grenzen des neuen Steuerungsmodells erfahren“, sagt Matthias Strobel: „Kultur läßt sich nicht in Zahlen erklären.“ Und die Gefahr sei groß, daß die Mitarbeiter vor lauter Rechnerei ihre eigentlichen Aufgaben vernachlässigen. Diesem Dilemma könne man nur entgehen, indem man Leitbilder entwickelt und festlegt, was man unter Qualität versteht. Matthias Strobel glaubt, daß jede Einrichtung fünf Schritte durchlaufen muß, um sich zu reformieren: Zunächst gilt es, die betriebswirtschaftlichen Instrumente kennenzulernen und Kostenstellen zu analysieren. Zweiter Schritt ist die Kontrolle des Datensalats: Soll- und Ist-Zustand werden verglichen, Mängel analysiert. Als nächstes müssen Profil und Image verbessert werden, das Erscheinungsbild nach außen. Dann folgt die interne Reform: die Mitarbeiter bewerten sich untereinander und diskutieren Führungsstile und Informationsfluß. Und schließlich gilt es, ein kulturpolitisches Leitbild zu entwerfen, an dem sich die Arbeit der nächsten Jahre orientiert.

„Unser Blick hat sich geschärft, wir sind ehrlicher uns selbst gegenüber geworden“, sagt Strobel. Und der Erfolg läßt sich sehen: Obwohl der Etat für die Stadtteilzentren um zehn Prozent zurückgefahren wurde, stiegen die Besucherzahlen weiter an. Das Argument, daß die Reform nur dazu diene, die Kulturetats immer weiter herunterzufahren, läßt Strobel nicht gelten: „Die Sparvorschläge der Mitarbeiter sind viel intelligenter als die der Politiker.“ Während die „fast zufällig“ Stellen streichen, könne der „Mix von Vorschlägen“, den die Mitarbeiter vor Ort machen, geschickt sparen und gleichzeitig das Angebot erhalten.

Auch in anderen Städten rumort es. In Bremen hat sich der Kultursenator Narciss Göbbel an die Spitze der Modernisierungsbewegung gesetzt. Gerade hat die Unternehmensberatung McKinsey seine Behörde durchleuchtet und ein markwirtschaftliches Steuerungsmodell entwickelt. Drei Geschäftsführer sollen künftig, weitgehend unabhängig vom Einfluß der Politik, die Kultureinrichtungen der Stadt verwalten. Der Senat soll sich darauf beschränken, alle zwei Jahre die Leitlinien der Kulturpolitik festzulegen. Auf diese Weise will Bremen langfristig und rational planen – und den Kulturetat von bisher 77 auf 45 Millionen Mark im Jahr 2000 senken.

Das kann natürlich nur gelingen, wenn auch heilige Kühe – hier ein Museum, dort ein Orchester – geschlachtet werden. Kultursenator Göbbel hat damit keine Probleme. „Kulturelle Vielfalt ist nicht an den Erhalt von Institutionen gebunden“, sagt er und fordert seine Kollegen zu mehr Ehrlichkeit auf: „Wir haben vier Theater, zwei brauchen wir, eines können wir uns leisten.“ Auf der Tagung der Kulturpolitischen Gesellschaft erntete der Rebell aus Bremen heftige Kritik. „Bei uns gibt es keine einzige Einrichtung zuviel“, protestierte etwa Oliver Scheytt, Kulturdezernent aus Essen.

In Bremen hat man sich entschieden, statt der Institutionen lieber den „Produktionsstandort Kunst und Kultur“ zu stärken. „Die größeren Häuser sollen sich warm anziehen“, warnt Senator Göbbel. Er will lieber Malkurse für Kinder und Ateliers von Künstlern als drei Kunstmuseen fördern. Im übrigen liegt das von McKinsey entworfene Steuerungsmodell zwar auf dem Tisch, ist aber noch nicht beschlossen. Die Widerstände von allen Seiten sind groß. Auch wenn Narciss Göbbel glaubt, daß „50 Prozent der ideologischen Bedenken aus Angst vor der persönlichen Zukunft stammen“.

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