■ Mit Adressengesetzen auf du und du: Ständig widersprechen
Frankfurt/Main (taz) – Das Adressengeschäft und seine Praktiken sind legal, die Gesetzgeber in Bonn haben es so gewollt. Das zwingt Werbemuffel dazu, einen mühsamen Weg zu gehen: Sie müssen ständig, vorbeugend oder nachträglich, Widerspruch gegen jegliche kommerzielle Nutzung ihrer Daten einlegen – beim Vertragspartner im Versandhandel, Versicherungs- und Kreditwesen ebenso wie bei Telekom, Einwohnermeldeamt oder Vereinen. Als kleine Helfer verschicken die Datenschützer gratis Aufkleber, die auf jedes Vertragsformular passen und mit §28 Absatz 3 des Bundesdatenschutzgesetzes auch die Bestimmung benennen, auf die man seinen Widerspruch stützt.
Einfacher wäre es, das Gesetz menschenfreundlicher zu gestalten und die geltende Devise „Wer nicht widerspricht, ist automatisch Datenspender“ durch das Motto „Wer nicht ausdrücklich eingewilligt hat, dessen Daten sind tabu“ abzulösen.
Die Zeit ist günstig, denn Bundestag und Bundesrat stehen in der Pflicht, das deutsche Datenschutzrecht bis zum Herbst dieses Jahres an eine Richtlinie der Europäischen Union (EU) anzupassen. Dazu empfehlen die Datenschützer, daß künftig jeder Werbebrief erkennen lassen muß, woher der Absender die Anschrift hat und nach welchen Kriterien sie ausgesucht wurde. „Der Werbeerfolg“, meint Thilo Weichert von der Datenschutzbehörde Schleswig-Holsteins, „würde durch solche Zusätze in keiner Weise geschmälert.“
Ganz anders sieht das der Deutsche Direktmarketing Verband (DDV). Würden die Träume der Datenschützer Wirklichkeit, sei die Branche bedroht, weshalb die Reformideen abgewendet werden müßten – durch eifrige Lobbyarbeit. Die kann mit offenen Ohren in Parlamenten und Ministerien rechnen, denn Kommerz ist hierzulande ein beachtlicher Wirtschaftsfaktor. Laut DDV gaben Unternehmen für Direktmarketing-Methoden wie adressierte Werbeschreiben, Postwurfsendungen oder Telefonwerbung 1996 rund 30 Milliarden Mark aus. Für das Jahr 2000 wird die 50-Milliarden- Mark-Marke angepeilt. Klaus-Peter Görlitzer
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen