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Der Große Lauschangriff wird um ein Öhrchen kleiner

■ Die Opposition setzt mit Stimmen einiger FDP-Abgeordneter ein Abhörverbot für Hebammen, Anwälte und Journalisten durch. Die Koalition erleidet erstmals seit 1983 eine Niederlage bei einer Gesetzesvorlage. Heute stimmt der Bundesrat dem Gesetz zu

Bonn (taz) – Der Große Lauschangriff wird ein bißchen kleiner: Die gesamte Opposition verbündete sich gestern im Bundestag mit einigen FDP-Abgeordneten und setzte mit einer Mehrheit von 329 zu 322 Stimmen Änderungen am ursprünglich verabschiedeten Gesetzestext durch. Insgesamt sind jetzt etwa 20 Berufsgruppen, darunter Ärzte, Journalisten und Anwälte, aber auch Hebammen und Apotheker, vor der akustischen Wohnraumüberwachung geschützt. Nach dem Willen der früheren CDU/CSU- und SPD-Vereinbarung sollten nur Geistliche, Strafverteidiger und Abgeordnete vom Großen Lauschangriff verschont bleiben. Die Koalition hat damit erstmals seit 1983 eine Niederlage bei der Abstimmung über eine Gesetzesvorlage erlitten. Gisela Frick, Hans-Dietrich Genscher, Burkhard Hirsch, Jürgen Koppelin, Otto Graf Lambsdorff, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Jürgen Möllemann, Irmgard Schwaetzer und Max Stadler stimmten gegen die Regierung. Auch der CDU-Sozialpolitiker Heinz Schemken stimmte mit der Opposition – ein Versehen, wie die Fraktion versichert: Er habe die Stimmkarten verwechselt.

Führende Politiker der Union versuchten die Niederlage zunächst herunterzuspielen. Der CSU-Vorsitzende Theo Waigel suchte mit Volksfrontvorwürfen gegen die SPD Stimmung zu machen. Es nützte nichts. Nach der Niedersachsen-Wahl die zweite Niederlage für Kohl in einer Woche – da blieb der Union Hohn nicht erspart. Der „Vollzug der Abschiedsphase der Regierung Kohl“ habe sich fortgesetzt, freute sich etwa Joschka Fischer. Die Abstimmung war auch eine Niederlage für den Fraktionschef Wolfgang Schäuble, der bis zuletzt auf stur geschaltet hatte. Er berief noch für gestern abend eine Fraktionssitzung ein, um über die Konsequenzen der Abstimmung zu beraten.

FDP-Abgeordnete wie Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und Burkhard Hirsch hatten sich früher grundsätzlich gegen den Großen Lauschangriff ausgesprochen. Daß sie jetzt dem Vermittlungsergebnis zustimmten, begründeten sie damit, die Ausweitung der Ausnahmen sei das „kleinere Übel“. Hätten sie gegen das Vermittlungsergebnis gestimmt, hätte ein neuer Gesetzentwurf ausgearbeitet werden müssen – mit ungewissem Ausgang.

In der vorangegangenen Bundestagsdebatte hatte der CDU-Abgeordnete Heribert Blens vor einem „Zweiklassenrecht“ gewarnt. Ein Gesetz mit derart vielen Ausnahmen sei absolut wirkungslos und wohl auch verfassungswidrig. „Besser kein Gesetz als ein solches.“ Er hielt der SPD vor, mehrfach ihre Positionen zum Großen Lauschangriff über Bord geworfen zu haben. Erst habe sie nicht auf Ausnahmen bestanden, dann auf ein paar und nun auf einer „solchen Flut“. Die Bündnisgrünen griffen die SPD an, weil sie die Grundgesetzänderung überhaupt erst ermöglicht habe. Fraktionssprecherin Kerstin Müller kritisierte, die im Vermittlungsausschuß beschlossenen „überkomplizierten Ausnahmen“ stellten lediglich eine „absolute Minimalverbesserung“ dar.

Heute stimmt der Bundesrat dem Gesetz zu. Der SPD wird dabei eine Peinlichkeit erspart. Gerhard Schröder hatte erklärt, daß er für das ursprünglich beschlossene Gesetz zum Lauschangriff stimmen werde, wenn der Bundestag Verbesserungen mehrheitlich ablehne. Das ist nun nicht mehr nötig. Markus Franz

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