■ Vorlauf: Transportiert Sprengstoff
„Eine Frau im Männerknast“, Sonntag, 23 Uhr, N 3
Die Geschichte sorgte vor zwei Jahren für einigen Wirbel: Im Hochsicherheitsgefängnis Salinenmoor bei Celle, wo ausschließlich Schwerstkriminelle einsitzen, nimmt ein wegen Vergewaltigung und Mordes Verurteilter eine Sozialarbeiterin als Geisel. Die Gefängnisdirektorin Katharina Bennefeld-Kersten, studierte Diplom- psychologin und seit zwanzig Jahren im Strafvollzug, erreicht, daß sie gegen die Mitarbeiterin ausgetauscht wird. Was danach kommt, beschert ihr die schrecklichsten Stunden ihres Lebens, eine Vergewaltigung und eine schlechte Presse. Tenor: Frauen im Männerknast – das muß doch schiefgehen. Bennefeld-Kersten selbst kommt nicht zu Wort. Drei Tage nach dem Drama tritt die Gefängnisdirektorin ihren Dienst wieder an. Monate später beruft Justizministerin Heidi Alm-Merk sie ab. Vorwurf: In ihrem Knast, den sie immerhin seit 1991 leitet, herrsche Chaos. Doch die Bediensteten – darunter 28 Frauen – starten spontan eine Solidaritätsaktion. Die Vorwürfe halten einer Prüfung nicht stand, nach ein paar Wochen kehrt Bennefeld-Kersten zurück auf ihren Posten. Eine ungewöhnliche Frau.
Bekannt wird von all dem wenig. Von dem, was wirklich ablief an jenem 26. Februar 1996, überhaupt nichts – hätte sich nicht die Dokumentarfilmerin Uta König für die Frau interessiert.
Für die einstige Ressortchefin des Stern, die sich auch als Autorin einen Namen gemacht hat, öffnet die engagierte Psychologin die Tore des vermeintlichen Chaos- knastes. Wärterinnen und Wärter und auch Gefangene kommen zu Wort. Sie selbst läßt sich bei der Arbeit zuschauen und zu Hause. Erstmals bricht sie öffentlich ihr Schweigen. Herausgekommen ist ein unangestrengter Film, dem man seine Länge von 90 Minuten fast ebensowenig anmerkt wie die Tatsache, daß er eine Menge Sprengstoff transportiert: Obwohl sie es mit keinem Wort sagt, nährt sich aus dem, was die Knastdirektorin vor der Kamera über die Situation als Geisel und die Vergewaltigung schildert, ein Verdacht: daß sie genau genommen, ein Opfer der Polizei wurde.Ulla Küspert
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