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Mime und Mitläufer

■ Einen Themenabend lang widmet sich arte dem Schauspieler Heinrich George (Sa. ab 20.45 Uhr)

In der Weimarer Republik gehörte er zum Ensemble an Erwin Piscators linker Volksbühne, trat in Brecht-Stücken auf und galt als der KPD nahestehend. Er wirkte in Fritz Langs „Metropolis“ mit und spielte 1930 in dem Tonfilm „Dreyfus“ sogar einen Warner vor dem „verblödenden Gift des Antisemitismus“. Nach 1933 aber arrangierte er sich schnell mit den neuen Machthabern, übernahm einen Part im Nazifilm „Hitlerjunge Quex“ und schwieg, als jüdische Kollegen nicht mehr auftreten durften. Was steckt hinter diesem Bruch in der Biographie des Schauspielers Heinrich George (1893–1946)?

Alexander Bohrs Dokumentation „Vom Spiel besessen“ (1997) läßt als Antwort anhand von Filmausschnitten, „Wochenschau“-Berichten und Kommentaren der beiden George-Söhne Jan und Götz das Bild eines Vollblutmimen entstehen, dem das Spielen existentielles Bedürfnis war und der, weil nun mal deutschsprachig, eben auch in finsterer Zeit im Land blieb. An Belegen für diese Einschätzung mangelt es nicht: Anrührend kündet eine von George besprochene Schallplatte von seinem Unglück, als er sich 1931 für Dreharbeiten in Los Angeles aufhielt. Und der Umstand, daß er 1946, nunmehr von den Sowjets im ehemaligen KZ Sachsenhausen interniert, selbst dort noch eine Theateraufführung ins Leben rief, zeugt von der vielbeschworenen „Urkraft“, die den Schauspieler angetrieben haben muß.

Manchmal allerdings wirkt das Porträt in seinem berechtigten Respekt vor Georges Genie ein bißchen zu milde: Die Perversion etwa, daß George nach der Pogromnacht vom 9. November 1938 vor der versammelten NS-Führung sein Schiller Theater mit „Kabale und Liebe“ eröffnete, hätte man deutlicher darstellen können. Der ganze Irrsinn des Nazi-Kulturbetriebs wird erst im nächsten arte- Beitrag greifbar: „Nun, Volk, steh auf!“ (21.30 Uhr) beschreibt die NS-Filmpropaganda am Beispiel des Durchhalte-Epos „Kolberg“ von 1943. Mit der Herstellung betraute Goebbels den Regisseur Veit Harlan, der seinerseits die Größen des deutschen Films vor die Kamera holte. Neben Paul Wegener, Horst Caspar und Kristina Söderbaum wurde auch George verpflichtet, mit dem Harlan zuvor schon den berüchtigten Hetzfilm „Jud Süß“ gedreht hatte. Während Deutschland im Bombenhagel versank, begannen die fast zweijährigen, 8,5 Millionen Reichsmark teuren Dreharbeiten, für die 185.000 Komparsen aus der Wehrmacht abgestellt wurden. Das Ergebnis, das für Goebbels Wunsch nach „geistiger Kriegführung“ freilich zu spät kam, ist um 21.45 Uhr zu besichtigen: ebenjener „Kolberg“, der am Beispiel des titelgebenden Städtchens den deutschen Widerstand gegen Napoleon verherrlicht – natürlich in denkbar „freiem“ Umgang mit der Historie. Arte zeigt den Film, der 1965 in einer kommentierten Fassung herausgebracht wurde, bewußt in der Urversion, da, so der Pressetext, die bearbeitete Fassung heute „sehr vestaubt“ wirke; im Kontext der anderen Beiträge sicher eine vertretbare Entscheidung.

Den Themenabend beschließt ein Fernsehspiel zur Person George: In „Dies verlauste nackte Leben“ (23.30 Uhr) verdichtet der Publizist und Regisseur Hans- Christoph Blumenberg historische Dokumente zu einer fiktiven Spielhandlung, die um Georges russische Gefangenschaft kreist. Vadim Glowna verkörpert den Mimen, Heikko Deutschmann einen Rotarmisten, der den prominenten Häftling bezüglich seiner Rolle(n) im „Dritten Reich“ verhört. Da wird dann noch einmal klar, daß George, der 1946 im ehemaligen KZ Sachsenhausen an den Folgen einer Blinddarmoperation starb, für sein Mitläufertum härter bezahlt hat als viele Kollegen (zum Beispiel Heinz Rühmann) – aber auch, daß er sich an zu exponierter Stelle für die Nazis engagiert hatte, um im nachhinein einen berufsbedingten Anspruch auf Verantwortungslosigkeit geltend machen zu können. Peter Luley

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