: Dreht gern an den kleinen Schrauben
Gesichter der Großstadt: Zum 60. Geburtstag wurde Karin Hausen, Professorin an der Technischen Universität und Leiterin des Zentrums für interdisziplinäre Frauen- und Geschichtsforschung, mit dem Berliner Frauenpreis geehrt ■ Von Ute Scheub
Eine Frau, die es bis zur C4-Professur bringt, ist nach wie vor etwas Besonderes im Wissenschaftsbetrieb. Besonders besonders wird es, wenn diese Frau sich vornehmlich mit dem „Besonderen“ in der Wissenschaft befaßt, der Frauenforschung, und sich damit internationales Renommee verschafft. Karin Hausen, Leiterin des Zentrums für interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung an der Technischen Universität, wurde am Freitag anläßlich ihres 60. Geburtstages mit einem Kolloquium im Haus der Kirche geehrt. Für ihre Verdienste bei der Förderung des weiblichen wissenschaftlichen Nachwuchses überreichte ihr Arbeitssenatorin Christine Bergmann (SPD) den mit 5.000 Mark dotierten Berliner Frauenpreis.
Wie aber eine Frau feiern, die sich bewußt vom männerbündischen Wissenschaftsbetrieb abgesetzt hat, die vom dort gepflegten Eierkraulen und wechselseitigen Lobpreisen nichts hält? Es werde „kein Singspiel, keine Festschrift, keine Laudatio“ geboten, kündigte ihre Mitarbeiterin Karen Hagemann an. Ohne anerkennende Worte aber kamen auch die RednerInnen dieser Veranstaltung nicht aus.
„Die TU weiß, was sie an Ihnen hat“, lobte selbst der konservative Präsident der TU, Hans-Jürgen Ewers, und man kann angesichts der prekären Situation des Zentrums für Geschlechterforschung und der Geisteswissenschaften allgemein nur hoffen, daß er sich seiner Worte noch lange erinnern möge. Sie habe als „Pionierin der Frauen- und Geschlechterforschung international Aufsehen erregt“, ihr ×uvre – darunter Aufsätze zur Sozialgeschichte der Nähmaschine und zur Großen Wäsche – zeichne sich durch eine „bestechende Originalität“ aus, befand Wolfgang Benz, Dekan des TU- Fachbereiches Geschichtswissenschaften.
Aber auch eine Karin Hausen wurde nicht als Feministin geboren. Wie kam sie dazu? Sie selbst habe sich nie als solche bezeichnet, erklärt sie im privaten Gespräch. „Den Vorzug und Nutzen eines Nenners sehe ich skeptisch. Es bringt nichts, nur über Dinge zu reden, man muß sie tun.“ Sie lächelt spitzbübisch: „An diesen kleinen Schrauben drehen“, sie schnalzt mit den Fingern, „das bringt's!“
Als Mädchen sei sie sehr selbständig gewesen. „Ich bin im Dorf aufgewachsen, als Nachkriegskind, das erheblich davon profitiert hat, daß die Eltern keine Zeit hatten. Ich habe mich mit der Kinderhorde herumgetrieben, später mit der Jugendgruppe.“
Als Studentin habe sie es „einfach nicht ertragen“ können, daß andere die Definitionsgewalt über sie hatten. Als Frau wurde sie nur als „das Besondere“ wahrgenommen. Später aber habe sie es geradezu „hinreißend“ gefunden, als „Randfigur“ beobachten zu können, wie der wissenschaftliche Betrieb funktioniert. Sie lacht wieder ihr spitzbübisches Lachen. Karin Hausen betreibt ihre Sache mit Lust und Humor. Wäre es anders, hätte sie sich von den erfahrenen Diskriminierungen verbittern lassen, sie wäre nie so weit gekommen.
Dabei hatte sie eigentlich Studienrätin werden wollen. Nach dem Studium der Geschichte, Germanistik und Soziologie aber wurde sie 1968 als wissenschaftliche Assistentin am Friedrich-Meinecke-Institut angestellt. 1973 kam ihre Tochter zur Welt. Die 1968 neu entstandene Frauenbewegung verfolgte sie mit großem Interesse, ohne direkt involviert zu sein: „Arbeit, Kind und dann eine solch entsetzlich zeitfressende Bewegung – das ging nicht zusammen.“ Bis heute ärgert sie sich darüber, daß Kinder aus der gesellschaftlichen Wahrnehmung ausgeschlossen werden.
Auch sie fallen in die Kategorie „besonders“. In der vorwiegend männlich betriebenen Geschichtswissenschaft impliziere männliches Handeln auch das von Frauen und Kindern, das gelte jedoch nicht umgekehrt, kritisierte die Kasseler Professorin Heide Wunder in ihrem Kolloquiums-Beitrag. Das neue „unteilbare Allgemeine“, so auch ihre Korednerin Ute Gerhard aus Frankfurt am Main, das gelte es erst zu entdecken.
Denn vorläufig haben die GeschlechterforscherInnen immer noch alle Hände voll damit zu tun, angebliche menschliche Allgemeinheiten als männliche Besonderheiten zu dekonstruieren. Karin Hausen spielte und spielt dabei eine wichtige Rolle. Ihr 1976 erschienener Aufsatz über die angeblich so rationalen Männer und die angeblich so gefühlvollen Frauen erregte damals über die Bundesrepublik hinaus Aufsehen und war wegweisend für die Frauenforschung. 1984 kam ihr Buch „Frauen suchen ihre Geschichte“ heraus, 1986 der Sammelband „Wie männlich ist die Wissenschaft?“, in der Folge weitere Aufsätze und Bücher. Die erste Sektion Frauenforschung, die sie 1984 beim Historikertag angemeldet hatte, wurde zu einem Riesenerfolg und zu einem Selbstläufer, den man an immer neuen Bänden der Reihe „Frauengeschichte/Geschlechtergeschichte“ abzählen kann.
Von 1988 bis 1993 war sie Kommissionsvorsitzende des bei der Arbeitssenatorin Bergmann angesiedelten Programms zur Förderung des weiblichen wissenschaftlichen und künstlerischen Nachwuchses. „Ein ungemein erfolgreiches und vergnügliches Programm“, bilanziert sie selbst. „Die Gießkanne hat viel zum Blühen gebracht.“ Der Lohn der Mühe, jedes Jahr 150 Anträge zu bearbeiten, ereilte sie jetzt in Form des seit 1988 jährlich vergebenen Berliner Frauenpreises.
Seit nunmehr zwanzig Jahren lehrt Karin Hausen an der TU, seit drei Jahren als C4-Professorin und Leiterin des Zentrums für interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung im 20. Stock des Telefunken-Hochhauses am Ernst- Reuter-Platz. „Das Allgemeine des Besonderen und das Besondere des Allgemeinen“, formuliert sie in ihrer Dankesrede am Freitag, „muß politisch und gesellschaftlich neu justiert werden. Daran arbeiten wir intensiv in unserem Zentrum über den Wolken Berlins.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen