piwik no script img

■ ÖkolumneNicht für 5 Pfennig Von Matthias Urbach

Seit drei Wochen beziehen die Grünen Prügel für ihren Ökosteuer-Vorschlag. Doch die Umweltverbände tun fast so, als interessiere sie die Benzinpreisdebatte nicht für fünf Pfennig. Hie und da eine vereinzelte Presseerklärung – das war's. Sicher, die Grünen in der Öffentlichkeit zu verteidigen ist nicht Sache der Verbände. Die Ökosteuer zu verteidigen schon, denn die ist auch ihre Sache: Vergangenen Sommer haben die 108 Umweltverbände im Dachverband DNR ein fast wortgleiches Ökosteuer-Konzept vorgestellt wie die Grünen. Doch sie bleiben still. Statt dessen geht bei der Formulierung der Wahlprüfsteine in einigen Verbänden bereits die Angst um, zu radikale Forderungen aufzustellen. Auch wenn es so aussieht, als ob die Grünen wegen der Ökosteuer bei den kommenden Bundestagswahlen kräftig Federn lassen könnten – noch nie war die Gelegenheit, das Thema Ökosteuer ins öffentliche Bewußtsein zu rücken, so gut wie heute. Die Chance muß endlich genutzt werden.

Denn zu viele wurden schon verpaßt. Jahrelang suchten Grüne und Umweltverbände überall Verbündete für die Ökosteuer: In den Parteien, den Gewerkschaften, in der Industrie wurden sie gefunden. Doch Partei und Verbände taten wenig, um die Mitgliederbasis einzubinden, geschweige denn eine breite Öffentlichkeit. Trotz zehn Jahren Ökosteuer-Debatte gibt es noch immer keine richtige Kampagne. Da haben die Ökoverbände keine Berechtigung, sich hinter vorgehaltener Hand über schlechte Öffentlichkeitsarbeit der Grünen zu beschweren. Auch die Verbände müssen begreifen, daß ihnen die Sympathie in der Bevölkerung nicht mehr automatisch sicher ist. Es gibt kein kontinuierlich wachsendes Umweltbewußtsein, auf das man immer weiter aufbauen kann. Auch die Verbände müssen lernen, für jede neue Idee auch aufs neue in der Bevölkerung zu werben. Seit dem Rio-Gipfel haben sich die Verbände aber in der Anhäufung von Expertenwissen und Lobbyarbeit verzettelt.

Einen Höhepunkt erreichte die Debatte in der Politik, als Greenpeace 1994 eine DIW-Studie in Auftrag gab. Ergebnis: Eine aufkommensneutrale Ökosteuer kann 500.000 Arbeitsplätze bringen. Bis zum Unionsfraktionschef Schäuble reichte die Liste der Unterstützer für den Einstieg in die Ökosteuer. Ein großer Wurf, doch Greenpeace versäumte es, eine Kampagne dranzuhängen. Und der DNR brauchte drei weitere Jahre, nur um eine Position auszuarbeiten.

Vergangenes Jahr stellte Greenpeace extra jemanden ein, um eine Ökosteuer-Kampagne zu entwerfen. Wieder wurde nichts daraus. Der DNR hat ebenfalls noch keine Kampagne gestartet. Erst für die Wahlkampfphase kündigten die Umweltverbände eine Kampagne an, die der BUND federführend betreut. Sie wird allerdings eher zaghaft ausfallen. Die Verbände geben kaum Geld. Für die Finanzierung der Broschüren muß gar die grünennahe Heinrich-Böll- Stiftung einspringen. Dies offenbart erschreckend, wie wenig strategisch und kampagnenfähig die Verbände sind. So organisiert man sich Niederlagen.

Aber ein Rückschlag bei der Ökosteuer kurz vor der Wahl wäre ein Rückschlag auf ganzer Linie. Wenn die Verbände sich jetzt nicht aufbäumen, werden sie in der kommenden Legislaturperiode kaum noch Spielraum haben für irgendwelche Umweltziele. Umfragen zeigen, daß bis vor kurzem nur wenige Menschen Bescheid wußten über die Ökosteuer. Die aber, die sie kannten, stimmten häufig zu. Durch eine beherzte Kampagne ließe sich der Spieß noch umdrehen, auf Schröder und Kohl richten. Sie sollen erklären, wieso sie auf eine halbe Million Jobs verzichten wollen.

Da könnte ein Blick nach Großbritannien helfen, dessen Wirtschaft floriert und dessen Premierminister Tony Blair zur Zeit so oft als Vorbild für den sozialdemokratischen Siegertyp herhalten muß. Dort steigt die Minerölsteuer seit 1993 automatisch jedes Jahr. Blair erhöhte die Rate gerade auf real sechs Prozent. Blair will nächstes Jahr weitere Ökosteuern einführen, um „Innovationen zu fördern“.

Seit 1980 hat sich das Aufkommen aus Steuern und Abgaben auf Arbeit um ein Drittel erhöht. Der Faktor Arbeit wurde immer teurer, ein Grund für die derzeitige Arbeitslosigkeit. Wer Arbeit billiger machen will, muß erst mal ein Mittel zur Gegenfinanzierung finden. Nichts bietet sich da so an wie die Energiesteuer.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen