piwik no script img

Nachdem sich nun auch der Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Norbert Walter, für eine Ökosteuer ausspricht, müssen die Betonköpfe in den Parteien wohl umdenken. Die Industrie ist keineswegs geschlossen gegen höhere Steuern für Energie, viele

Nachdem sich nun auch der Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Norbert Walter, für eine Ökosteuer ausspricht, müssen die Betonköpfe in den Parteien wohl umdenken. Die Industrie ist keineswegs geschlossen gegen höhere Steuern für Energie, viele Branchen könnten gar profitieren.

Teure Energie: Chance für die Industrie

Nun ist es passiert. Kein grüner Spinner, kein vereinzelter Umweltpolitiker einer Volkspartei, kein Umweltverband hat sich nun für die Ökosteuer ausgesprochen, sondern der Chefvolkswirt der Deutschen Bank. Sozusagen aus dem Herzen des deutschen Kapitalismus kam die Botschaft von Norbert Walter: Die Besteuerung von Benzin sei eine „zukunftsweisende Orientierung“. Das sagte der Ökonom Montag abend in der ZDF- Sendung „heute nacht“.

Ganz nüchtern brachte er die Argumente, die die Grünen seit ihrem Magdeburger Parteitag nicht richtig rüberbekommen: Die Kosten der Arbeit seien ohnehin viel zu hoch, Energie werde zu sehr verschwendet. Da sei es nur logisch, wenn man den Energieverbrauch stärker belaste und die Löhne von Nebenkosten entlaste.

Nachdem die Grünen seit ihrem „Fünf Mark fürs Benzin“-Beschluß am Umfrage-Abgrund stehen, stellte gestern Vorstandssprecher Jürgen Trittin genüßlich fest, die Stimmung habe sich „beruhigt“. Der grüne Parteichef hält allerdings eine Energiesteuer à la CDU, die über einen erhöhten Mehrwertsteuersatz nur die Konsumenten belaste, für „sozial nicht besonders intelligent“ und für ökologisch unklug. Eine Ökosteuer müsse auch die Industrie belasten.

Und das sieht auch Norbert Walter so, auch wenn er den Energieverbrauch der Industrie nur im „internationalen Gleichschritt“ besteuern will. Die Äußerung des Deutsche-Bank-Volkswirts zeigt, daß auch die Industrie nicht wie eine Front gegen Energiesteuern steht, wie das der Chef des Deutschen Industrie- und Handelstages (DIHT), Hans-Peter Stihl, weismachen wollte. Am Montag noch sprach er davon, daß die Deutsche Industrie gegen jede Form von Energie- oder Ökosteuern sei. Mit Walters Äußerung kommt nun auch seitens der Industrie endlich wieder Sachlichkeit in die Debatte.

Wie ein Bumerang erwischt die Ökosteuerdebatte nun jene, die sie ausgelöst haben, allen voran CDU- Generalsekretär Hintze. Der mutierte unter dem Druck der Angriffe der CSU auf den Wahlprogrammentwurf von Wolfgang Schäuble (dieser schlägt EU-weit eine höhere Mehrwertsteuer auf Energie vor) vom Tankstellenkämpfer zum Energiesteuerfreund. Freilich mangelt es den Angriffen des CSU-Generalsekretärs Bernd Protzner an Glaubwürdigkeit. Schließlich hatte die CSU- Landtagsfraktion in einem Landtagsbeschluß bereits im Sommer 1996 „den Einstieg in eine europaweite, aufkommensneutrale und schrittweise ansteigende CO2- Energiesteuer“ gefordert.

Immerhin leidet die FDP nicht an dieser spezifischen Wahlkampfvariante von Alzheimer. Ihr Wirtschaftsminister Günter Rexrodt nahm am Sonntag im Fernsehen für seine Partei in Anspruch, als erster die Idee für einen dritten Mehrwertsteuersatz für Energie gehabt zu haben.

Wer sich die CSU-Beschlüsse anschaut, wird feststellen, daß die Landtagsfraktion aus gutem Grund für Ökosteuern ist. Sie hofft nämlich auf eine „Verbesserung der Absatzmöglichkeiten für heimisches Holz“ und hat damit erkannt, was Stihl und auch BDI- Chef Henkel immer noch zu verwischen versuchen: Eine Energiesteuer bringt eine Menge Sieger auf seiten der Wirtschaft.

Das hat etwa die AEG-Hausgeräte erkannt. Die Firma tritt seit Jahren für Ökosteuern ein, weil sie hofft, dann mehr energiesparende Waschmaschinen und Kühlschränke zu verkaufen. Auch der Quelle-Versand, so eine Studie der Uni Bremen von 1997, würde von höheren Energiepreisen und niedrigeren Lohnkosten profitieren. Begünstigt würde nach eigenen Berechnungen ebenso der Babykosthersteller Hipp.

Es gäbe noch weitere Gewinner. So kommt eine Studie im Auftrag des Umweltministeriums von Baden-Württemberg zu dem Schluß, daß acht von zehn untersuchten Unternehmen profitieren würden. Zu den Gewinnern zählte auch eine große Autofirma, die ihren Namen nicht veröffentlicht wissen will. Doch aus den Wirtschaftsdaten, sagen Experten, die die Studie kennen, sei eindeutig Mercedes-Benz zu identifizieren.

Die Furcht ist verständlich: In den Wirtschaftsverbänden DIHT und BDI haben nach wie vor die Großen der Chemie-, Stahl- und Stromindustrie das Sagen. Darunter gibt es auch die möglichen Verlierer einer Ökosteuer. Viele innovative Unternehmen fühlen sich in diesen Fragen längst nicht mehr gut vertreten. So ist es kein Wunder, daß etwa der Bundesverband Junger Unternehmer einer Ökosteuer aufgeschlossen gegenübersteht. Schon 1994 kam das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) im Auftrag von Greenpeace zu dem Ergebnis, daß eine Ökosteuer der Wirtschaft nicht schade und daß rund 500.000 Arbeitsplätze entstehen könnten. Gerade steht eine weitere DIW- Studie vor der Veröffentlichung, diesmal im Auftrag vom Umweltbundesamt. Klar ist bereits, daß das DIW zu einem ähnlichen Ergebnis kommt. Unter der Annahme geringerer Energiesteuern als beim letzten Mal prognostiziert das DIW diesmal 400.000 Jobs mehr. Matthias Urbach

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen