: Das Hochhausfieber in Berlin – ein neuer Krankheitsschub
Neue Hochhäuser sollen gebaut werden, obwohl niemand sie braucht – Produkte einer chaotischen Stadtplanung. Vier Beispiele ■ Von Heide Berndt und Harald Bodenschatz
Derzeit künden vier Hochhausprojekte von den Niederungen Berliner Stadtplanung. Wer braucht diese Hochhäuser angesichts des Überangebotes von Büro- und Einzelhandelsflächen und teuren City-Wohnungen?
Erfunden zur „Lösung“ der Widersprüche kapitalistischen Städtebaus, der sogenannten Bodenknappheit in begehrten Stadtbezirken, haben sie sich als wirksame Instrumente der Stadtzerstörung erwiesen. Das Hochhaus ist das Sauriersymbol von metropolitaner Größe und Modernität. Es symboliert die Hoffnung, mit dieser Art Modernität „Stadtentwicklung“ betreiben zu können. Weil dies längst nicht mehr rational zu begründen ist, wird auch die Durchsetzung konkreter Hochhausprojekt immer irrationaler und chaotischer.
Vier Beispiele:
Das Zoofenster am
Bahnhof Zoo
Das „Zoofenster“ in unmittelbarer Nähe der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche, ein Projekt von Brau & Brunnen, war ein Wunschkind des letzten Senats und wurde gegen den heftigen Widerstand des Bezirks Charlottenburg durchgesetzt. Heute weinen die Senatsverantwortlichen für Bauen, Wohnen und Verkehr sowie Stadtentwicklung, Umweltschutz und Technologie Krokodilstränen und bescheinigen dem damaligen Glashausprojekt des Architekten Richard Rogers Stadtunverträglichkeit.
Was nun? Der von der Senatsbaudirektorin beauftragte Architekt Christoph Mäckler hat die „Lösung“ parat: ein neues, wohl 108 Meter hohes Gebäude mit steinernem Kleid, eingebunden in eine Art Blockrandbebauung, und einer Bebauungsdichte mit der gigantischen Geschoßflächenzahl von 17,59. Diese Zahl bezeichnet das Verhältnis von Nutzfläche im Hochhaus zur Grundstücksfläche. Eine fabelhafte Grundstücksausnutzung also, die – was für ein Zufall – die Dichte des Projekts von Rogers („nur“ 13,88) noch einmal satt übersteigt. Zum Vergleich: Die Bebauungsdichte in die traditionellen Berliner Altbauquartieren überschreitet selten die Geschoßflächenzahl von zwei.
Die politischen Fronten sind: Senatsbauverwaltung gegen die grüne Bezirksstadträtin. Im Bezirk selbst lehnen SPD und Grüne den vorliegenden Entwurf ab, die CDU fordert eine „zügige“ Realisierung.
Das neue Eckgebäude
am Ku'damm
An Stelle des Altbaus des einst einflußreichen Berliner Architekten Werner Düttmann sollte ein Neubau in Höhe von 44 Metern des Hamburger Architekten Meinhard von Gerkan treten. Kein Hochhaus am Kurfürstendamm – das war noch die Losung des Planwerks Innenstadt Berlin von Staatssekretär Hans Stimmann. Doch die Senatsbaudirektorin konnte sich an dieser Stelle auch ein Hochhaus vorstellen – zur harmonischen „Ausbalancierung“ des neuen Westberliner Zentrums.
Der Investor Hans Grothe ließ sich nicht lange bitten und präsentierte eine Alternative: ein Geschäfts- und Hotelhochhaus fast in Höhe des Europa-Centers, entworfen durch den Berliner Architekten Jan Kleihues, den Sohn von Josef Paul. Die Fronten hier: Die grüne Baustadträtin des Bezirks Charlottenburg ist gegen das Projekt, die Senatsbauverwaltung wohlwollend, die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz ablehnend.
Hochhaus am
Alexanderplatz
Das Hochhaus östlich des Alexanderplatzes ist Teil der Hochhausorgie des Architekten Hans Kollhoff, die im städtebaulichen Wettbewerb „Alexanderplatz“ preisgekrönt worden ist – mit massiver Unterstützung des damaligen Senators für Stadtentwicklung, Volker Hassemer (CDU), und des damaligen Senatsbaudirektors Hans Stimmann.
Die Kritik an diesem wohl maßlosesten Städtebauprojekt der unmittelbaren Jahre nach dem Mauerfall ist bis heute aktuell: Statt den Platz des Ostens weiterzubauen, wird sein Kahlschlag geplant, statt eine sparsame Lösung zu suchen, wird eine bis heute noch nicht offengelegte Kostenlawine die öffentliche Hand belasten, statt eine Ost-West-Verständigung zu suchen, wird auf Konfrontation gesetzt. Gebraucht werden diese Hochhäuser offenbar so schnell nicht. Aus der Krone werden wahrscheinlich nur einige Zacken gebaut.
Das jetzt von der DeGeWo geplante, 150 Meter hohe Gebäude im Osten des Alexanderplatzes ist deswegen eines der unsinnigsten. Auch hier: Der Nutzungspoker zeigt, daß die spätere Nutzung des Gebäudes unklar ist. Ursprünglich als reines Wohngebäude geplant, soll es jetzt ein Bürohochhaus werden.
Die politischen Fronten hier: Die von der PDS unterstützte Bezirksstadträtin sperrt sich gegen diese Pläne, die beiden Senatsverwaltungen unterstützen das Projekt. Auch im Planwerk Innenstadt Berlin ist das Hochhaus vorgesehen.
Am abenteuerlichsten ist die Geschichte des Hochhausprojektes auf der Fischerinsel, neben dem Ahornblatt, südlich der Gertraudenstraße. An dieser Stelle hatten die in der Regel auch nicht gerade sensiblen Städtebauprojekte der Nachwendezeit niemals ein Hochhaus vorgesehen.
Hochhaus auf der
Fischerinsel
Erst der Verkauf eines Teilgrundstücks der Fischerinsel seitens der Oberfinanzdirektion an den privaten Investor OMG war die Geburtsstunde des Hochhausprojektes. Denn die offenbar in Aussicht gestellte hohe Baudichte ließ sich nur in Form eines Hochhauses realisieren, wenn, ja wenn das Baudenkmal Ahornblatt erhalten werden soll. Und die Erhaltung dieses Baudenkmals lag dem Bezirk verständlicherweise am Herzen.
Vor diesem Hintergrund befürwortete die von der PDS unterstützte Baustadträtin das Bauvorhaben – gegen das einmütige Votum ihres Planungsbeirates, gegen den Willen der PDS und der BVV, aber wohl im Einvernehmen mit der Senatsbaudirektorin. Mit diesem Bescheid gelang ihr ein Paukenschlag gegen das Planwerk Innenstadt Berlin, das an dieser Stelle ganz andere Pläne hat. Für diesen Coup erhielt sie manch klammheimliche Zustimmung, auch ein bißchen seitens der taz. Doch diese Schadenfreude ist kurzsichtig.
Kein Aufschrei, daß das geplante Hochhaus einen der wichtigsten historischen Orte Berlins beschädigt. Nur und ausgerechnet das Planwerk Innenstadt Berlin hält dagegen – und eine Partei, die sich im Osten wenigstens auskennt, die PDS. Ihre Position: „Die Austreibung des teuflischen Planwerks mit dem Beelzebub Hochhaus ist der falsche Weg, die PDS sollte nicht für Exorzismus stehen.“
Irrationalität als
Planungsmethode
Städtebaulich ist die Botschaft in der Summe eindeutig: Die Kaiser- Wilhelm-Gedächtniskirche wird degradiert, der alte Alexanderplatz verschwindet, der Fernsehturm wird visuell gestutzt, der symbolische Gründungsort Berlins, die Fischerinsel, wird nochmals geschändet.
Atemberaubend sind die ständig wechselnden Fronten zwischen den verschiedenen Planungsbeteiligten: Da streiten die BezirksstadträtInnen mit der Senatsbaudirektorin und Stimmann als Urheber des Planwerks. Die Senatsbauverwaltung für Bauen, Wohnen und Verkehr liegt abwechselnd quer und koaliert dann wieder mit der Senatsbauverwaltung für Stadtentwicklung, Umweltschutz und Technologie. Weitere Interessen vertreten die Parteien PDS, SPD, CDU und Bündnisgrünen, die Planungsbeiräte, Bezirksverordnetenversammlungen und Investoren. Die Einigkeit der Hochhausbefürworter besteht jedoch darin, daß alle getrieben sind von der irren Hoffnung, daß die kapitalistische Logik die Lösung der Stadtentwicklung bringen müsse und werde. Und so wird meistens Planung unter äußersten Zeitdruck gesetzt. Dann gerät dieser Planungswirrwarr zum Alptraum. War der Hochhauswahn der frühen 90er Jahre wenigstens noch aus der ersten Hauptstadteuphorie irgendwie verständlich, entpuppt er sich jetzt als ganz und gar aberwitzig. An das bedeutsamste Manifest dieser politischen Tradition dürfen wir uns bald wieder ordentlich erinnern – an die unselige Geschichte des Berliner Kreisels. Am 19. Mai wird eine Ausstellung des Kulturamtes Steglitz über diesen bislang größten Bauskandal der (West-)Berliner Nachkriegsgeschichte eröffnet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen