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Thailands Militär: Leiche ist Pol Pot

Doch noch nicht alle Zweifel am Tod des kambodschanischen Völkermörders ausgeräumt. Den Roten Khmer geht es jetzt an den Kragen. Sie sollen vor Gericht, erhoffen sich aber einen Deal mit der Regierung  ■ Aus Bangkok Jutta Lietsch

Jetzt scheinen alle Zweifel beseitigt: Der Tote in der kargen Holzhütte, dessen Bilder am Donnerstag um die Welt gingen, ist tatsächlich Pol Pot. Eine Gruppe thailändischer Militärs, die traditionell enge Beziehungen zu den Roten Khmer haben, untersuchte gestern im Nachbarland die Leiche des früheren Führers der Organisation. Beobachtet von Journalisten, nahmen sie Fingerabdrücke und Haarproben und fotografierten das Gebiß. „Wir wollten sichergehen, daß er es wirklich ist. Davon sind wir nun überzeugt“, sagte ein thailändischer Oberst.

Warum aber – entgegen ersten Berichten – die Haare des Toten dunkel waren, ist noch nicht klar. Auf den letzten Aufnahmen des lebenden Pol Pot war er völlig weißhaarig. Kambodschas Regierung hatte eine Autopsie der Leiche gefordert, um ihre Identität und die Todesursache zweifelsfrei zu bestätigen. Doch bislang halten die Roten Khmer noch daran fest, ihn heute in dem kambodschanischen Grenzdorf einzuäschern.

Die Nachricht vom Tod Pol Pots, der für den Mord an mehr als einer Million Menschen verantwortlich gemacht wird, rief in Kambodscha merkwürdig gedämpfte Reaktionen hervor: Die von der Regierung kontrollierten Fernsehsender verschwiegen das Ereignis, ebenso wie die meisten khmersprachigen Zeitungen. In Phnom Penh fragten viele Leute, ob es sich nicht um einen neuen Trick der Roten Khmer handele. König Sihanouk, der kürzlich nach dreimonatiger Abwesenheit wieder aus Peking zurückgekehrt ist, sagte in Siem Reap: „Laßt ihn tot sein. Jetzt wird unsere Nation sehr friedlich werden.“

Für die letzten Roten Khmer, die von den Regierungstruppen weiter an die thailändische Grenze getrieben werden, wird die Lage immer verzweifelter. Es fehlt an Lebensmitteln, Wasser, Medikamenten. Allerdings ist der Dschungel dort so vermint und unwegsam, daß ein militärischer Sieg der Regierung kaum vorstellbar ist – auch wenn der Militärchef der Roten Khmer, Ta Mok, nach Regierungsangaben nur noch 200 bis 300 Kämpfer und deren Familien kommandiert. Thailändische Militärs sprechen von rund 2.000. „Wir appellieren an sie, ihre Waffen niederzulegen und aufzugeben“, sagte der kamodschanische General Chea Man gestern. Andernfalls „werden wir unmittelbar einen Angriff starten“.

Die Regierung hat angekündigt, sie wolle den harten Kern der Roten Khmer fangen und vor ein internationales Gericht bringen. Auch US-Präsident Bill Clinton hielt gestern an seinem Ruf nach einem Völkermordtribunal fest. Hohe Funktionäre der Roten Khmer „laufen immer noch frei herum, sie sind mitverantwortlich für die monströsen Menschenrechtsverletzungen, die in dieser Zeit verübt wurden“, sagte er. Dazu gehören vor allem der als „Schlächter“ bekannte Ta Mok und der geheimnisvolle Sicherheitschef Nuon Chea sowie der frühere Staatspräsident Khieu Samphan. Weniger prominente Funktionäre, die mitverantwortlich für die Verbrechen der Roten Khmer sind, versprechen sich nach Pol Pots Tod einen leichten Deal mit der Regierung und Straflosigkeit, heißt es in Phnom Penh.

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