: Sender zeigt mal Stärken
■ „Pro musica nova“: Beim Radio-Bremen-Festival experimentieren ab 30. April Musiker und Tänzer mit Instrumenten, Elektronik oder Straßenbahnen
Das Festival „Pro Musica Nova“ist seit 1962 eins der wichtigsten kulturellen Markenzeichen Bremens. Hans Otte hat „die Nova“gegründet und bis zu seiner Pensionierung geleitet, nun wird sie zum zweiten Mal künstlerisch verantwortet von Marita Emigholz, die als Redakteurin für Neue Musik bei Radio Bremen arbeitet und schon vor zwei Jahren eine deutliche, vor allem eigenständige Handschrift zeigte. Die ist vor allem geprägt durch den Versuch, die KomponistInnen zu einzuladen, die interdisziplinär arbeiten wollen.
Hatte sie sich 1996 für die Thematik Konstruktion-Improvisation entschieden, so ist sie diesmal fündig geworden in der Begegnung von Musik und Tanz, der von Musik und Video und der von Musik und Raum. Unter dem Titel „audio-visuell“und „interaktiv“spielt in fast allen elf Konzerten vom 30. April bis zum 3. Mai die Elektronik eine prägende Rolle, was nicht möglich gewesen wäre ohne die aktive Unterstützung der großen Elektronikzentren der Heinrich-Strobel-Stiftung in Freiburg oder auch des neuen Zentrums für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe.
Der Radio-Bremen-Hörfunkchef Hermann Vinke während der Pressekonferenz: „Es ist wichtig, daß wir unsere Stärken zeigen“, und anspielend auf allerlei niederschmetternde Ereignisse und Prognosen für den Sender, sagt er: „Wir brauchen kein Mitleid, wir zeigen unsere Profession.“Das kann er nicht in allen Bereichen so überzeugend aussprechen wie im Bereich der Neuen Musik. Mehrere Uraufführungsaufträge hat Marita Emigholz vergeben, und alle Aktionen und Konzerte streben sozusagen nach außen, zu den Menschen, in die Stadt. „Ich möchte, daß neue Musik rausgeht, daß sie nicht Angst macht, sondern neugierig“: Gleich zu Beginn wird der Bremerhavener Jens P. Carstensen mit der Uraufführung von „orten: straßenbahndepot, flughafendamm“eine Straßenbahn beschallen und mit ihr und den Konzertgästen ins Depot fahren, wo es weitergeht mit den Klängen, die Carstensen vorher gespeichert hat und nun verarbeitet.
Einem renommierten Altmeister der elektronischen Musik, Mesias Maiguashca, ist ein eigener Abend im Theater am Leibnizplatz gewidmet. Der Gitarrist Jim O'Rourke wagt sich unter dem Titel „Excuse me“an eine Performance mit dem Publikum: „Tragen Sie nicht Ihre guten Hosen!“Man darf gespannt sein auf Marita Emigholz' Versuch, zwei Videokünstlern einen regelrechten Kompositionsauftrag zu geben: Axel und Detlev Klepsch präsentieren die Uraufführung von „timeline zzz“.
Die Ansammlung allererster InterpretInnen macht allein beim Lesen schon gute Stimmung: Der Posaunist Melvyn Poore, der Klarinettist Michael Riessler, der Schlagzeuger Christian Dierstein, der Akkordeonspieler Hugo Noth und viele andere. Michael Riessler wird unter dem Titel „fever“zusammen mit dem Performancekünstler Nigel Charnock auftreten, was ebenso aufregend sein dürfte wie die Choreographien der Steptänzerinnen Anita Feldman und Rhonda Price aus New York. Anita Feldman hat als Tanzunterlage ein Instrument entwickelt, das aus mehreren, geometrisch geformten Platten aus verschiedenen Hölzern und Metallen besteht.
Aus England, USA, Australien, der Schweiz kommen die Künstler, aber es gehört zum Konzept der Emigholz'schen Nova, daß immer auch einheimische Künstler eingebunden werden. So dieses mal neben Jens P. Carstensen der Bremer Georg Bönn, dessen „clones“uraufgeführt wird. Bönn, Lehrbeauftragter für elektronische Musik an der hiesigen Hochschule für Künste, verarbeitet unter anderem die „Clone“-Diskussion im Internet. Sein Ansatz für das Konzert im Lichthaus ist vor allem die Entwicklung einer Raumklangsteuerung, an der er seit Jahren arbeitet. Los geht's am Donnerstag, 30. April, um 18 Uhr an der Straßenbahnhaltestelle der Linien 1 und 5 auf dem Bahnhofsplatz in Richtung Domsheide.
Ute Schalz-Laurenze
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