: Von Bock ließ Brandstifter laufen
■ Ehemaliger Oberstaatsanwalt und Innenstaatsrat kämpft vor Gericht mit allen Mitteln dagegen, daß die Anklage verlesen wird / Einstellung des Verfahrens wurde klar abgelehnt
Geschlagene zwei Stunden kämpfte der ehemalige Oberstaatsanwalt und Innenstaatsrat Hans-Georg von Bock und Polach gestern vor dem Amtsgericht dagegen, daß die Anklage gegen ihn wegen Strafvereitelung im Amt verlesen wurde. Als die stellvertretende Generalstaatsanwältin Kirstin Graalmann-Scheerer die Anklageschrift schließlich vorlas, wurde klar, warum. Nach den Ermittlungen der Generalstaatsanwaltschaft waren es keine Ordnungswidrigkeiten, die in seinem Arbeitszimmer verstaubten, sondern zum Teil schwere Vergehen.
So versäumte von Bock, der vor seiner Berufung ins Innenressort Mitte 1995 auch stellvertretender Chef der Bremer Staatsanwaltschaft war, die Fahndung nach einem Mann weiter auszuschreiben, der u.a. wegen schwerer gemeinschaftlicher Brandstiftung gesucht wurde. Nach dem Wechsel von Bocks ins Innenressort wurde der Mann erneut zur Fahndung ausgeschrieben und im August 1995 festgenommen – mithin waren drei Jahre vergangen. Darüber hinaus ließ von Bock einen Mann, dem Betrug in 22 Fällen vorgeworfen wurde, laufen – und zwar obwohl das Verfahren anklagereif ermittelt worden war. Nachdem die Bremerhavener Staatsanwaltschaft die Ermittlungen Ende 1989 abgeschlossen hatte, landete das Verfahren wieder auf dem Schreibtisch von Bocks, der Anklage hätte erheben müssen. Von Bock ließ die Akte jedoch nicht ordnungsgemäß registrieren und „entzog das Verfahren der Kontrolle“. Sieben Jahre schmorte die Akte in seinem Dienstzimmer. Posteingänge wurden nicht bearbeitet. Anfang 1996 mußte die Staatsanwaltschaft das Verfahren einstellen, weil es verjährt war. Dieses Schicksal teilte auch ein Verfahren wegen gefährlicher Körperverletzung aus dem Jahr 1992. Von Anfang an, so die Generalstaatsanwaltschaft, bearbeitete von Bock das Verfahren „sehr sporadisch“und ab Juni 1993 „überhaupt nicht mehr“. Auch auf die Anfragen seiner Kollegen reagierte von Bock offenbar nicht. Sechsmal wurde er in einem Verfahren wegen Verleumdung um Sachstand gebeten. Von Bock, so die Anklage, rührte sich nicht.
Von Bock verfolgte die Verlesung der Anklageschrift mit steinerner Miene. Anschließend verweigerte er die Aussage. Wenige Minuten nach Prozeßbeginn hatte sein Anwalt im Gerichtssaal das Mandat niedergelegt. Die Verhandlungstermine seien nicht mit ihm abgestimmt. Zudem seien die Verhandlungen mit der Generalstaatsanwaltschaft über eine Einstellung nicht abgeschlossen, sagte der Jurist, nahm seinen Mantel und ging. Von Bock bat um Aussetzung des Verfahrens, bis er einen neuen Verteidiger habe. Das Gericht lehnte ab. Das Verfahren sehe keinen Pflichtverteidiger vor. Außerdem sei es dem Juristen, der über 20 Jahre lang als Staatsanwalt gearbeitet habe, durchaus zuzumuten, sich selbst zu verteidigen. Von Bock bot an, eine Geldbuße von 180 Tagessätzen zu zahlen, um die Einstellung des Verfahrens zu erreichen. Der Tagessatz müsse dann zwischen 250 bis 300 Mark (45.000 bis 54.000 Mark insgesamt) betragen, errechnete der Richter, lehnte den Vorschlag aber ebenso ab, wie Graalmann-Scheerer. Es gebe Verfahrensregeln, sagte sie. Und die sähen vor, daß die Anklageschrift verlesen werde.
Von Bock wurde 1995 als Staatsrat ins CDU-geführte Innenressort berufen. Er trat im Juni des vergangenen Jahres wegen der Aktenaffäre zurück. kes
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