: Keinerlei Handlungsbedarf
■ Aber über Wilhelm Kochs Vergangenheit soll diskutiert werden
„Angesichts dieser Feststellungen des vorgelegten Gutachtens sehen Präsidium und Aufsichtsrat keinerlei Handlungsbedarf.“So lautet das Fazit der Verantwortlichen beim FC St. Pauli bezüglich der Untersuchungen des Hamburger Historikers Frank Bajohr, die sich mit der nationalsozialistischen Vergangenheit des ehemaligen Präsidenten Wilhelm Koch beschäftigen. Bajohr stellte nach eingehendem Quellenstudien fest, daß der Namensgeber des Stadions am Millerntor sich „allenfalls als fußballbegeisterter Unternehmer, nicht aber als politischer Zeitgenosse“hervorgetan hat. Die Vorwürfe, Koch sei ein Arisierungsgewinnler gewesen, als er mit einem Kompagnon die Firma zweier jüdischer Emigranten übernahm, werden durch die Untersuchung vollständig widerlegt. Eine Bereicherungsabsicht lag nicht vor.
Ob dies die Mitglieder des Vereins genauso sehen, bleibt abzuwarten, schließlich war eindeutig Wilhelm Koch ab 1937 Parteimitglied. „Darum muß die Mitgliederversammlung darüber entscheiden, wie weiter verfahren wird“, erklärt Olaf Wuttke. Der grüne Fraktionsvize in Altona hatte auf der letzten Jahreshauptversammlung angeregt, eine Untersuchungskommission zu gründen. Heute fordert er: „Der Verein muß das Gutachten öffentlich machen und für die Mitglieder eine Diskussionsveranstaltung organisieren, um alle auf den gleichen Kenntnisstand zu setzen.“Vorstand und Aufsichtsrat wollten erst im Oktober bei der nächsten Mitgliederversammlung wieder auf dieses Thema eingehen.
Wuttke, selbst Historiker, beurteilt die Arbeit Bajohrs durchaus positiv: „Ein hochqualifizierter Geschichtswissenschaftler hat hier sehr gründlich und genau gearbeitet.“Das Bild vom Nationalsozialisten Wilhelm Koch, um das heftig gestritten wurde, muß wohl revidiert werden. Ob aber ein Teil der Mitglieder weiterhin auf eine Umbenennung des Stadions aufgrund der Mitgliedschaft in der NSDAP besteht, wird die weitere Diskussion zeigen.
Holger Scharf, Sprecher der Arbeitsgemeinschaft interessierter MitgliederInnen (sic!), ist mit der Vorgehensweise des Präsidiums zunächst zufrieden: „Wenn jetzt die Diskussion weitergeht, ist das sehr gut und richtig.“Und eines stellt er ebenso klar: „Wenn sich jetzt tatsächlich herausgestellt hat, daß Wilhelm Koch kein Nazi war, sind wir darüber auch hochzufrieden.“
Eberhard Spohd
Ab heute kann das Gutachten auf der Geschäftsstelle von Vereinsmitgliedern abgefordert werden.
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