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Manifeste Multimediale

Seit gestern wird die „realistische Vision Kampnagel 2000“ gebaut  ■ Von Christiane Kühl

Genau ein Jahr ist es her, daß zum letzten Mal zur Vorstellung der Bebauungspläne des Kampnagelgeländes in die Jarrestraße gerufen wurde. Ein Jahr, in dem sich der Begriff „Kampnagelgelände“und vor allem das Gelände selbst drastisch verändert haben: Konnte man vor 12 Monaten noch von der Barmbeker Straße aus über einen riesigen, staubigen Parkplatz zu den alten Hallen laufen, stehen dort heute vierstöckige Rohbauten des geplanten „Medienparks Kampnagel“.

Im April 1997 hatte die Hansestadt dem Verkauf des 12.800 Quadratmeter großen unbebauten Teils des Grundstücks zugestimmt. Von den rund 12 Millionen Mark Verkaufserlös sollten ursprünglich 7,5 zur Sanierung der Hallen der Kulturfabrik bereitgestellt werden; dann aber – die Sparpolitik ist ein seltsames Spiel – wurden nurmehr fünf Millionen Mark brutto bewilligt. Mit diesen soll nun das 14jährige Provisorium Kampnagel nicht nur mit Brandschutzmauern ausgestattet, sondern, so der künstlerische Leiter Res Bosshart, durch einen großangelegten Umbau zum „Ort der Entwicklung einer Kultur der Wahrnehmung“werden.

Im wesentlichen zeichnet sich der Entwurf der Umstrukturierung, der gemeinsam mit dem seit zwei Jahren auf Kampnagel arbeitenden Architekten Axel Paap entwickelt wurde, durch Zentralisierung aus. Sind die Hallen bis heute von außen über einzelne Foyers zu erreichen, soll bald ein in der Mitte gelegenes Zentralfoyer entstehen (dort, wo heute das Foyer 2 und der E-Raum sind), das nicht nur direkt zu den Bühnenräumen, sondern auch zur Ausstellungshalle k3 und zum Alabama-Kino führen wird.

Für Bosshart spiegelt dieser in alle Richtungen und zu verschiedenen Medien offene Raum die aktuelle Tendenz der darstellenden Kunst zur offenen, multimedialen Arbeit: Angefangen von der New Yorker Wooster Group, die 1994 die erste von ihm geleitete Spielzeit eröffnete, bis zu den jüngst gezeigten Projekten von Matthias von Hartz oder Showcase Beat Le Mot bei dem „Junge Hunde“-Nachwuchsfestival. Theater, „das sich aller Mittel und der Improvisation bedient und Impulse aus der Unterhaltungsindustrie aufnimmt – das ist für uns Freies Theater, wenn man das heute noch so nennen will. Ein Foyer, wo Menschen, Film, Kunst und Theater aufeinandertreffen, ist Ausdruck dessen.“Insofern müsse auch niemand befürchten, daß der Millionenumbau künstlerische Konsequenzen habe, im Gegenteil: „Der Umbau ist Konsequenz künstlerischer Entwicklung.“

Die Hallen bleiben außer der kleinen k4, die dem Alabama-Kino zugeschlagen wird, im wesentlichen gleich, was ihre Größe und Lage betrifft. Eine entscheidende Veränderung ist der Schallschutz, der in Zukunft eine parallele Bespielung der Hallen k1 und k2 ermöglicht. Auch die Vorhalle der k6 wird derart abgetrennt, so daß sie als eigener Spielort genutzt werden kann und damit die k4 ersetzt. Die Gastronomie wird in einen Glasbau zwischen das Foyer und die Kasse gesetzt. Mit einem neuen Dach, Betriebsräumen und Künstlergarderoben sei das nicht die beste, aber doch mit fünf Millionen beste aller möglichen Kampnagelwelten, beteuert Jack Kurfess, kaufmännischer Direktor der Kulturfabrik.

Bis zum Beginn des Internationalen Sommertheaters, das vom 19. August bis zum 12. September stattfindet, wird die Renovierung der k6 fertig, bis zur Eröffnung der neuen Spielzeit am 4. November der gesamte Umbau abgeschlossen sein. Allein die Fertigstellung des neuen Alabama-Kinos mit vier Leinwänden wird erst im Frühjahr 1999 erwartet. „Einzigen Wermutstropfen“nennt Kurfess den noch gültigen Senatsbeschluß von 1989, die Hallen solange zu erhalten, „wie Kampnagel vom Publikum angenommen wird“, was als derart schwammige Formulierung eine gravierende Planungsunsicherheit bedeutet. 14 Jahre erfolgreiches Provisorium sollten genug sein – die Stadt Hamburg muß sich endlich auf ganzer Linie für das einmalige Kulturgelände entscheiden.

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