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Dramatische Zunahme von Kontopfändungen

■ Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung rechnet mit 48.000 Verfahren in diesem Jahr

Immer mehr Gläubiger lassen in Berlin Bankkonten ihrer Schuldner pfänden. Peter Zwegat, Schuldnerberater der Landesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung, rechnet in diesem Jahr mit 48.000 Verfahren. 1990 seien an der Spree erst etwa 4.600 Konten gepfändet worden, sagte Peter Zwegat. Vor allem Behörden wie Finanz-, Arbeits- und Bezirksämter, die zur Zwangsvollstreckung ermächtigt sind, ließen die Konten ihrer Schuldner blockieren, weil sie dort noch ein Guthaben vermuten.

Die Sperrung des Girokontos bedeutet für die Betroffenen, daß sie vom bargeldlosen Zahlungsverkehr ausgeschlossen sind und ihnen weder Lohn noch Sozialleistungen am Geldautomaten ausgezahlt werden. Auch Daueraufträge wie Miet- und Energiezahlungen werden nicht mehr ausgeführt. Mit einer Aufklärungskampagne will die Landesarbeitsgemeinschaft nun über Auswirkungen von Pfändungen informieren und praktische Hilfe leisten.

Zwegat wies darauf hin, daß Sozialleistungen nur sieben Tage lang nach Eingang des Geldes auf dem Konto geschützt blieben. Beträge, die vor Ablauf dieser Frist nicht abgehoben würden, gingen an den Gläubiger.

Für andere Zahlungseingänge – beispielsweise Lohnzahlungen – gilt eine zweiwöchige Schutzfrist nach Eingang des Pfändungsbescheides. Kreuzbergs Bezirksstadträtin für Soziales, Ingeborg Junge- Reyer (SPD), betonte, es sei wichtig, daß die Betroffenen sofort reagierten. Nur innerhalb dieser Frist könne mit dem Gläubiger verhandelt werden und eine zumindest teilweise Auszahlung des Geldes zur Deckung des Lebensunterhalts erreicht werden.

Bei den Banken verursachen die Pfändungen hohe Personal- und Sachkosten. Nach Auskunft von Hartmut Podlesch von der Landesbank Berlin wurde die seit 1994 bestehende Gruppe der Pfändungsmitarbeiter seines Geldinstituts von 4 auf 15 Personen vergrößert. Podlesch kritisierte die juristische Grundlage für die Kontopfändung, die nicht mehr der aktuellen Situation entspreche.

Die Landesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung Berlin hat von Mai bis Juni unter der Telefonnummer 19729 eine Info-Hotline eingerichtet. dpa

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