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AnalyseStoffkamel stirbt aus

■ Schlappe für US-Tabakkonzerne

Innerhalb von sechs Monaten werden grinsende Stoffkamele und rauchende Viehhüter aus dem Straßenbild verschwinden. Am Freitag erklärte sich die Tabakindustrie kleinlaut bereit, im US-Bundesstaat Minnesota künftig weder an Plakatwänden noch an Taxitüren oder auf T-Shirts fürs Rauchen zu werben. Zigaretten müssen unter den Ladentisch – und dahinter würden nun auch Tabakmanager gern verschwinden, denn sie geraten nun auch im Streit um das nationale Antirauchergesetz in die Defensive.

Denn das sind nicht die einzigen Zugeständnisse, die der ehrgeizige Minnesotaer Generalstaatsanwalt Hubert H. Humphrey der Dritte der US-Tabakindustrie im vierten Tabak-Vergleich abtrotzte. Obwohl dieser Vergleich nur für Minnesota geschlossen wurde, einem von 41 prozessierenden Bundesstaaten, enthält er auch US-weite Zugeständnisse. Die Industrie muß künftig darauf verzichten, ihre Marken in Filmen zu plazieren. Und ihren zwielichtigen „Rat für Tabakforschung“, der immerzu Zweifel über die Schädlichkeit des Rauchens sät, muß sie dichtmachen. Vor allem bekamen die Zigarettenhersteller nicht die Gegenleistung, die ihnen so wichtig ist: Schutz vor weiteren Schadenersatzprozessen.

Ganz nebenbei muß die Tabakindustrie über 25 Jahre insgesamt 6,6 Milliarden Dollar an Krankenversicherungen und den Bundesstaat Minnesota zahlen. Das ist zwar weniger als in den bisherigen Vergleichen in Florida, Texas und Mississippi. Doch die Hälfte mehr als bislang für Minnesota vorgesehen war in dem US-weiten Vergleich, den Tabakindustrie und Staatsanwälte im vergangenen Juni erzielt hatten.

Doch dieser Vergleich, der dem Staat 368 Milliarden US- Dollar und der Industrie Schutz vor weiteren Klagen bringen sollte, ist längst Makulatur. Nachdem ein aussichtsreicher Gesetzentwurf des Kongresses mittlerweile 500 Milliarden Dollar ohne Rechtssicherheit fordert, haben vor einem Monat auch die fünf größten Tabakkonzerne den spektakulären Vergleich vom Vorjahr gekündigt.

Entscheidend dafür war der Druck von Generalstaatsanwalt Humphrey. Der hatte als einziger Staatsanwalt von Anfang an gegen die Rechtssicherheitsklausel gekämpft und schließlich im März der Industrie eine weitere Schlappe beigebracht: Vor Gericht setzte er durch, daß die Konzerne in Minnesota ihre internen Dokumente offenlegen müssen. Inzwischen sind 26 Millionen Seiten zusammengekommen. Dies ist wohl der Grund, warum die Tabakindustrie vier Stunden vor Prozeßbeginn dem ungünstigen Vergleich zustimmte. Im Kongreß kommt das nationale Antirauchergesetz wahrscheinlich noch diesen Monat in die heiße Phase. Eine öffentliche Verhandlung mit internen Papieren als Grundlage, die die Irreführung der Öffentlichkeit durch die Tabakindustrie belegen, wäre den Managern da so hinderlich gewesen wie ein Raucherbein. Matthias Urbach

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