Den Genossen ist die PDS nicht grün

■ Nach anfänglichem Ärger über Höppners Vorliebe für eine von der PDS tolerierten Regierung, gibt sich die SPD in Bonn jetzt entspannt

Nachdem eine Große Koalition in Sachsen-Anhalt wohl endgültig vom Tisch ist, fügt sich die Bonner SPD ins Unvermeidliche. Die anfängliche Empörung über Reinhard Höppner klingt ab, ebenso wie die Befürchtung, der CDU ins offene Messer gelaufen zu sein. Soll die CDU doch machen, heißt es zunehmend entspannt, die Wähler interessiert etwas ganz anderes.

SPD-Bundesgeschäftsführer Franz Müntefering versucht nun sogar, in die Offensive zu gehen. „Die Tolerierung in Sachsen-Anhalt seit 1994 hat sich bewährt“, sagt er. Und er könne sich in den neuen Bundesländern weitere PDS-tolerierte SPD-Landesregierungen vorstellen. Zu einer solchen Vorgehensweise hatten SPD- Strategen ihrer Partei schon früher geraten. Die SPD, so sagten sie, hätte gleich nach der Landtagswahl vom 26. April das Tolerierungsmodell als selbstverständliche Option darstellen müssen. Die erkennbare Verärgerung der SPD- Führungsspitze über die Absage an eine Große Koalition habe der CDU in die Karten gespielt. Die Hetze von CDU-Generalsekretär Hintze gegen einen „SPD/PDS- Pakt“ könne nicht als billige Wahlkampfpropaganda abgemeiert werden, wenn selbst die eigenen Leute ein Tolerierungsmodell vehement ablehnten.

Dennoch fürchtet kaum jemand in der Bonner SPD, das Gerangel in Sachsen-Anhalt könne die Bundestagswahl entscheidend beeinflussen. Die CDU werde schlimmstenfalls ihre Anhängerschaft besser mobilisieren können, heißt es. Die „fiese Rote-Socken-Kampagne“ sei doch „passé“, so ein Genosse. Es sei ein Armutszeugnis für die CDU, daß sie wie bei der „erbärmlichen Zapfsäulen-Aktion“ nur noch auf vermeintliche Fehler der Oppositionsparteien reagiere. Reinhard Höppner drückte es so aus: „Wenn man einen Teebeutel fünfmal aufbrüht, hat er keinen Geschmack mehr.“

Eine Parallele zur Bundestagswahl 1994 scheint niemand zu befürchten. Damals hatte Höppner wenige Monate vorher zum ersten Mal das Tolerierungsmodell geschmiedet. Doch Kohl befand sich zu dieser Zeit ohnehin schon im Aufwind. Die von der CDU zu ihren Gunsten entschiedene Bundespräsidenten- und die Europawahl hatten die Trendwende für die CDU begründet. Inzwischen hätten sich die Menschen schon an das Tolerierungsmodell gewöhnt und gesehen, daß da nicht „kommunistische Horden“ Harakiri-Politik betrieben. Nicht wenige glauben sogar, daß die Entscheidung Höppners für eine PDS-tolerierte Alleinregierung der SPD bei der Bundestagswahl nutzen kann. Bei der ostdeutschen Wählerschaft führe es zu großer Zufriedenheit, daß die sachsen-anhaltische SPD sich einem Diktat aus Bonn nicht gebeugt und den Wahlverlierer CDU an der Regierung beteiligt habe. Andererseits, gibt jemand zu bedenken, lebe in Ostdeutschland nur ein Viertel der Wähler.

Ganz so einfach hat es die Bonner SPD dann doch nicht, sich mit der PDS zu arrangieren. Gerade die ostdeutschen Bundestagsabgeordneten, darunter einige, die zu DDR-Zeiten unter der SED-Diktatur gelitten haben, wollen partout nichts mit der PDS zu tun haben. Außerdem tut sich die SPD aus historischen Gründen schwer mit einem wie auch immer gearteten Bündnis mit einer Partei, die kommunistische Wurzeln hat. Die SPD habe ein „Kommunistentrauma“, so ein Genosse. Sie verwinde es nicht, in Ostdeutschland von der SED geschluckt worden zu sein. Die SED hatte sich 1946 unter dem Vorsitz von Otto Grotewohl (vordem SPD) und Wilhelm Pieck (vordem KPD) gebildet. Es habe auch immer einige Überläufer zu den Kommunisten gegeben. Daraus habe sich eine leidenschaftliche Gegnerschaft entwickelt.

Höppner scheinen die jüngsten Ereignisse in der eigenen Partei nicht geschadet zu haben. Die Haltung ihm gegenüber ist geprägt von einer Mischung aus Achtung und gewogener Herablassung. Nicht wenige sind sauer, daß Höppner die Spielregeln Bonner Machtpolitik nicht eingehalten hat. Bei Höppner „menschelt es eben total“, sagt eine Genossin. Der habe mal gesagt: „Mir wird schlecht, wenn ich nur an die CDU denke.“ Und in Ostdeutschland spielten nunmal persönliche Beziehungen in der Politik eine größere Rolle als im Westen. Insofern sei es nicht überraschend, daß die Gespräche mit der CDU geplatzt sind. Für die „coolen Profis im Westen“ sei das natürlich nicht akzeptabel. Andererseits habe die Führungspitze der SPD inzwischen eingesehen, daß es im Osten Deutschlands nun einmal nach anderen Spielregeln geht. Markus Franz, Bonn