: „Es waren eben Vitamine“
■ Im Berliner Prozeß leugnet Schwimmerin Pollack jegliches Wissen um DDR-Doping
Berlin (dpa) – Die dreifache Schwimm-Olympiasiegerin Andrea Pinske-Pollack (37) hat am Montag jegliche Kenntnis von der Einnahme anaboler Substanzen bestritten. Am 13. Tag des Prozesses um das systematische Doping im DDR-Sport erklärte die Physiotherapeutin, sie habe regelmäßig verschiedene Tabletten geschluckt und auch Spritzen erhalten. Doch Diskussion darum habe es nie gegeben. „Es waren eben Vitamine. Und die gehörten einfach zum Training dazu“, stellte sie auf Anfrage fest.
Die Schmetterling-Spezialistin, die in ihrer Spezialdisziplin 1978 Weltrekorde über 100 und 200 Meter aufgestellt hat, fügte hinzu, sie habe keine körperlichen Veränderungen nach der Einnahme der Tabletten verspürt. Daraufhin ordnete das Gericht eine medizinische Untersuchung durch ihren Gutachter an.
Zu ihrem Trainer Rolf Gläser, von dem sie stets die Tabletten erhalten hat, habe jederzeit ein „freundschaftliches Verhältnis“ bestanden. Gläser gehört wie drei weitere Trainer und zwei Ärzte des SC Dynamo Berlin zu den Angeklagten im Pilotprozeß. Ihnen wird vorgeworfen, minderjährigen Schwimmerinnen durch die Verabreichung von Doping-Substanzen körperliche Schäden zugefügt zu haben.
Die dreifache Freistil-Weltmeisterin von 1982, Birgit Heukrodt, räumte immerhin ein, im Rahmen ihres Medizinstudiums von den Negativwirkungen der Turinabol- Tabletten gehört zu haben. „Seit ich schließlich durch die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen erfuhr, was da gelaufen ist, bin ich als Ärztin sehr betroffen und bemerke eine große Zerrissenheit“, erklärte die Medizinerin. Sie habe in ihrer aktiven Zeit eine tiefere Stimme und vor wichtigen Wettkämpfen stets eine unreine Haut bekommen, führte sie vor Gericht aus. Als sie wegen ihrer Akne den DDR- Verbandsarzt Lothar Kipke konsultierte, habe der nur sarkastisch geantwortet, wir „Mädels würden zu wenig lieben“. Die tiefe Stimme habe ein von ihr befragter Trainer auf die „feuchte Luft in den Hallen“ zurückgeführt.
Beide Zeuginnen gehörten zum Kreis jener Sportlerinnen, die bereits 1990 in einer Pressemitteilung ihren Trainer Rolf Gläser gegen die Anschuldigungen ihrer Mannschaftskameradin Christiane Knacke-Sommer in Schutz genommen hatten. Knacke-Sommer hatte als erste Zeugin im Prozeß vor dem Landgericht ausgesagt, die anabolen Steroide seien ihr unter dem Motto „Friß oder stirb“ verabreicht worden.
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