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■ NachschlagRevolution goes culture: Berliner Studierende reflektieren ihre Streiks im Rahmen einer Theater-Revue

Schon Geschichte? Freigegeben zur freien Bearbeitung? Revolution come and gone? Der spektakuläre Studierendenstreik des vergangenen Winters hat sich selbst ins Kulturprogramm katapultiert. Aber, Hand aufs Herz – gehörte er nicht schon immer genau dorthin?

Die „Streik-Revue“ auf den Brettern der Volksbühne, hauptsächlich initiiert von Studierenden der Humboldt-Universität, sollte der Rückschau auf den höchst phantasievollen, gewalt- und erfolglosen Protest der „98er“ dienen. Gleichzeitig wurde eine Art Standortbestimmung – böses Wort! – plus Zukunftsschau unter der imperativisch gestellten Frage „Studenten! Wie blöd sind wir eigentlich?“ avisiert. Vielleicht brachte es die Fragestellung mit sich, daß man unter sich blieb. Vor einem ausschließlich studentischen, also „handzahmen“ Publikum wurden diese Ansinnen nämlich in vier amüsanten Stunden eingelöst: Mit Musik, Diashow, klugen Kurzvorträgen, Lyrik, Performances, Puppentheater und Kabarett nahmen Studierende deutsche Befindlichkeiten, sich und ihr gescheitertes „Revolutiönchen“ intelligent aufs Korn.

An den hoffnungsvollen Impuls der Revue, daß die Verschmelzung von Politik und Kunst schon so weit gediehen sein möge, wie es die postmoderne Theorie behauptet, man also mit der Kunst praktischerweise zugleich gesellschaftlich wirksam sein kann, konnte trotzdem keiner so recht glauben. Man zog sich aufs Grinsen zurück, schaltete Zwischenrufe, deren versuchte Aggressivität sofort ins Kichern kippte, und applaudierte höflich der Störung durch Christoph Schlingensiefs „Chance 2000“-Club, der von nebenan mal kurz vorbeischaute. Zur unpolitischen Debatte jenseits des allgegenwärtigen Meta-Kommentars hatte niemand Lust.

Dabei ist diese prompte Selbst-Historisierung einer noch-gebildeten Bewegung, die ihre Ziele nicht durchsetzen konnte (und eigentlich gar nicht durchsetzen wollte, wie manche Zyniker nörgeln), absolut konsequent. Sie ist das Resultat der Heterogenität der Studierenden und ihrer Interessen, die sich nicht inhaltlich, sondern nur formal unter der Überschrift „Kreativität“ bündeln lassen. Sie ist aber auch die logische Folge einer nahezu grenzenlosen Selbstreflexivität: 1998 gebiert Not nicht mehr bloß Tugend, sondern eine verzweifelt-distanzierte Haltung, die sich allein im Lachen entladen kann. Eva Behrendt

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