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Jakarta läßt heute zwei Gefangene frei

Politische Häftlinge in Indonesien und deren Angehörige fordern weitere Entlassungen. Präsident Habibie kündigt Parlamentsneuwahlen „so bald wie möglich“ an. Seine Verwandten geben ihre Posten auf  ■ Aus Jakarta Jutta Lietsch

„Freiheit für alle politischen Gefangenen!“ rief der indonesische Gewerkschaftsführer Muchtar Pakpahan vom Balkon des Häftlingstraktes. Das berüchtigte Cipinang-Gefängnis in Jakarta war gestern Schauplatz bislang unvorstellbarer Szenen: Hunderte von Angehörigen, Anwälten, Unterstützern und Journalisten sammelten sich am Vormittag vor den Toren des Gefängnisses, nachdem bekanntworden war, daß die Regierung Pakpahan und den Oppositionspolitiker Sri Bintang Pamungkas freilassen wollte.

Jugendliche Demonstranten entrollten Transparente, auf denen sie „Liberta Xanana“ forderten – Freiheit für den 1992 zu zwanzigjähriger Haft verurteilten Führer der osttimoresischen Fretilin-Befreiungsbewegung, Xanana Gusmao, der ebenfalls im Cipinang festgehalten wird.

Andere sangen die Nationalhymne und erinnerten an die jungen Mitglieder der linken PRD- Partei, die vor zwei Jahren als „Drahtzieher regierungsfeindlicher Unruhen“ hohe Strafen erhalten hatten. Im Cipinang sitzen zudem politische Gefangene ein, die bereits in den sechziger Jahren wegen „kommunistischer Umtriebe“ verhaftet wurden.

Gewerkschaftsführer Pakpahan war zu vier Jahren Haft verurteilt worden, weil er nach Ansicht des Gerichtes Arbeiter in der Stadt Medan zu gewaltsamen Unruhen angestiftet habe. Sri Bintang geriet hinter Gitter, weil er den früheren Präsidenten Suharto bei einer Diskussion mit Studenten in Berlin angeblich einen „Diktator“ genannt hatte.

Am Nachmittag hieß es, daß die beiden erst heute morgen freikommen würden. Offenbar verlangten Pakpahan und Sri Bintang, daß auch die anderen politischen Häftlinge entlassen werden. Zudem wiesen sie eine Amnestie zurück: Sie forderten statt dessen, daß die Urteile gegen sie annulliert werden.

„Das ist ein guter Anfang“, kommentierte der bekannte Schriftsteller Goenawan Mohamad gestern die Bereitschaft der Regierung, die beiden politischen Gefangenen freizulassen. Als weiteres Zeichen für eine politische Öffnung kündigte Präsident B.J. Habibie gestern bei der ersten Sitzung seines neuen Kabinetts Neuwahlen des Parlaments „so bald wie möglich“ an. Zuvor sollen die restriktiven Wahl- und Parteiengesetze geändert und die Beschränkung der politischen Aktivitäten aufgehoben werden.

Nachdem Habibie vergangene Woche das Amt von seinem zurückgetretenen Vorgänger Suharto übernahm, hatten nicht nur Oppositionelle, sondern auch Minister der neuen Regierung schnelle Neuwahlen gefordert. Regierungskritiker werfen dem früheren Vizepräsidenten vor, er verdanke seinen Aufstieg allein der Gunst von Ex-Präsident Suharto.

Um die Vorwürfe der Korruption und Vetternwirtschaft gegen Habibie auszuräumen, war dessen Bruder bereits am Wochenende von seinem Posten als Chef der Industriezone Batam zurückgetreten, den er erst vor wenigen Wochen erhalten hatte. Der Sohn des neuen Präsidenten gab ebenfalls seinen Job an der Spitze des indonesischen Flugzeugkonzerns auf, den sein Vater in seiner Zeit als Technologieminister aufgebaut hatte.

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