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Stoiber legt sich mit Kinkel an

■ Auf dem Sudetendeutschen Tag knüpft Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber die EU-Aufnahme Tschechiens an Bedingungen. Außenminister Klaus Kinkel: Unverantwortlich

Bonn (rtr/taz) – Die Bonner Koalitionspartner CSU und FDP streiten erneut über die Europapolitik. Außenminister Klaus Kinkel (FDP) wies gestern Äußerungen von Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) auf dem Pfingsttreffen der Sudetendeutschen als unverantwortlich zurück. „Solche Querschüsse müssen endlich ein Ende haben“, forderte Kinkel. Stoiber hatte am Sonntag vor rund 10.000 Sudetendeutschen in Nürnberg den Beitritt Tschechiens zur Europäischen Union von der Anerkennung des Heimatrechts der vertriebenen Sudetendeutschen abhängig gemacht.

Kinkel erklärte in Bonn, Forderungen nach einer Verknüpfung des EU-Beitritts Tschechiens mit bilateralen Fragen seien unrealistisch und unverantwortlich. Die Pfingsttreffen „dürfen nicht in Wahlkampftheater ausarten“. Die deutsch-tschechische Versöhnung sei zu wichtig, als daß sie auf dem Wahlkampfaltar Bayerns geopfert werden dürfe.

Stoiber hatte in Nürnberg erklärt, wenn Tschechien das Unrecht der Vertreibung nicht anerkenne und den Vertriebenen kein Heimatrecht einräume, gefährde es die angestrebte EU-Mitgliedschaft. In einer EU, die Vertreibung ächte und die das Heimatrecht einfordere, könnten keine Gesetze und Dekrete Bestand haben, die diesen Menschenrechtsgrundsätzen widersprächen. Dazu zählten auch jene Dekrete über Ausbürgerung und Enteignung der Sudetendeutschen, die nach dem Zweiten Weltkrieg vom tschechischen Staatspräsidenten Eduard Benes unterzeichnet worden waren.

Stoiber forderte eine Entschädigung der Vertriebenen. Er teile ganz und gar nicht die Auffassung Kinkels, daß in der deutsch-tschechischen Versöhnungserklärung keine Entschädigung für die Sudetendeutschen vorgesehen sei. Die Bundesregierung müsse klarmachen, daß „auch für die deutsche Seite etwas getan werden muß“. Kinkel erklärte dazu, auch vertriebene Sudetendeutsche, die NS- Opfer seien, könnten in Härtefällen von Projekten des deutsch- tschechischen Zukunftsfonds begünstigt werden.

Zuvor hatte der CSU-Vorsitzende Theo Waigel Tschechien auf dem Pfingsttreffen vorgeworfen, die „ausgestreckte Hand der Versöhnung“ der Sudetendeutschen immer wieder zurückgewiesen zu haben. Er sei überzeugt, daß viele Probleme im Konsens gelöst werden könnten, wenn die Sprachlosigkeit zwischen Tschechen und Sudetendeutschen überwunden werde.

Der Grünen-Vorstandssprecher Jürgen Trittin erklärte, der „Sturmlauf“ Stoibers gegen die EU bekomme immer „sektiererischere Züge“. Die EU-Erweiterung sei ein notwendiger Schritt hin zu zu einer europäischen Friedensordnung, der weder an „den revanchistischen Gelüsten einiger ewiggestriger Sudetendeutscher“ noch an einem bayerischen Veto scheitern werde.

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