Die Grünen fühlen sich nach all den Jahren bestätigt

■ Grüne lassen auf ihren Internet-Seiten schon vor der Wahl über Kernenergie abstimmen

„Es gibt in diesen Zeiten nur eine politische Kraft, die nachdrücklich für eine Wende in der Atomplitik streitet. Das sind Bündnis 90/Die Grünen.“ So zufrieden wie bei diesen Sätzen hat Parteisprecher Jürgen Trittin schon lange nicht mehr in die Kameras gelächelt. Vergessen scheinen Pleiten und Pannen der vergangenen Monate – mit dem Skandal um die verstrahlten Castor- Transporte hoffen die Grünen, im Wahlkampf Punkte zu sammeln.

„Die Bundestagswahl wird für uns auch zu einer Volksabstimmung über den Ausstieg aus der Atomeneergie“, kündigte Trittins Kollegin Gunda Röstel gestern in Bonn an. Auf den Internet-Seiten der Partei können Surfer bereits jetzt ihre Meinung zur Kernkraft kundtun und sich an einer Abstimmung beteiligen. Der Widerstand gegen die Atomenergie hat schon vor 18 Jahren bei der Gründung der Partei Pate gestanden. Die Forderung nach dem Ausstieg gehört zu den ganz wenigen Zielen der Grünen, die allenfalls im Zeitplan, niemals jedoch grundsätzlich intern umstritten waren.

In der Bonner Parteizentrale erinnert seit gestern eine Ausstellung mit 35 alten Plakaten an die Geschichte des Kampfes gegen Atomkraftwerke. Neben dem guten, alten „Atomkraft? Nein danke!“ finden sich da auch Slogans, die in diesen Tagen nicht nostalgisch, sondern zukunftsorientiert wirken: „Das einzige, was wirklich schützt: Abschalten“ und: „Atomkraft ist nicht sicher.“ Gunda Röstel: „Für viele, die damals die Grünen belächelt hatten, zeigt sich heute, wie recht die Grünen hatten.“ Umfragen zufolge steht inzwischen die Mehrheit der Bevölkerung der Kernenergie kritisch gegenüber.

Aus rechtlichen und organisatorischen Gründen verlangen allerdings auch die Bündnisgrünen inzwischen nicht mehr die sofortige Stillegung aller Atomkraftwerke. Zunächst einmal fordern sie einen endgültigen Verzicht auf Castor- Transporte und die Einrichtung von Zwischenlagern. „Der Atommüll muß da gelagert werden, wo er produziert wird“, erklärte Jürgen Trittin. Der Bau des Endlagers in Gorleben „muß unmittelbar gestoppt werden“.

Wiederholt hat die Parteispitze der Bündnisgrünen gestern auch ihre Forderung nach dem Rücktritt von Angela Merkel. Die Umweltministerin schafft es inzwischen nicht einmal mehr, alle Kollegen aus den Bundesländern gemeinsam an einen Tisch zu bringen. Aus Protest gegen Merkels Haltung im Castor-Skandal haben Minister aus Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen ihre Teilnahme an einer gestern in Bonn anberaumten Sitzung abgesagt. Bettina Gaus