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Schlauköpfige Gebrauchskünstler

■ Uneitler Marktplatz: Das Berliner Forum Illustratorum „Filu“ öffnet für einen Tag sein Zeichenarchiv in Hamburg

Der Filou ist ein Spitzbube, ein Schlaukopf. Ohne „o“ steht Filu für „Forum Illustratorum“, einen eingetragenen Verein, in dem sich über 300 Zeichner, Illustratoren, Buchkünstler und Graphiker seit drei Jahren organisieren. Der Verein unterhält in Berlin ein Archiv mit Arbeitsproben der KünstlerInnen dieses brotlosen Berufszweiges. Morgen es für einen Tag im Foyer des Gruner + Jahr-Verlags aus eigennützigen Zwecken zu Besuch. Das „Filu-Archiv der Zeichner“ versteht sich als uneitler Marktplatz, auf dem die BilderproduzentInnen ihr Können präsentieren, um etwaige Brötchengeber zu finden.

Zumeist hausieren ZeichnerInnen mit ihrer Mappe von Verlag zu Verlag, bis sie jemanden finden, dem ihre Arbeit gefällt, der ihre speziellen Fähigkeiten verwerten kann und einen Auftrag gegen bare Münze erteilt. Das „Filu-Archiv“ kehrt dieses entwürdigende Geschäftsprinzip um, ohne den kapitalistischen Handlungsrahmen zu verlassen. Wenn sich das Archiv nicht gerade auf Tournee in anderen Städten als Berlin befindet, scheuen die Verlagsvertreter auch keine weiten Wege, um aus den zahlreichen Proben die von ihnen gelegentlich verzweifelt gesuchten herauszufischen.

Wer jetzt meint, beim Filu-Archiv handle es sich um eine getarnte Agentur, irrt. Die Gebrauchskünstler finanzieren ihre Kosten, die der Unterhalt eines solchen Archivs mit sich bringt, durch ihren Mitgliedsbeitrag. Und anders als bei einer Agentur gibt es auch kein Auswahlkriterium für eine Aufnahme in das Archiv. Jede und jeder muß die eigenen Arbeiten selbst vor dem Urteil der Verlage verantworten. Das Archiv ist für alle Beiträger offen, die ihr Leben durch ihrer zeichnenden Hände Arbeit verdienen wollen. Der Markt besorgt den nötigen Ausschluß dann von selbst.

So scheint allen und dem Kapitalismus gedient zu sein: Die Schlauköpfe können überhaupt leben, die Verlage verbessern im besten und beschleunigen in jedem Fall ihre Produktion, und die interessierten Laien freuen sich auf die Gelegenheit, unveröffentlichte Werke zu begutachten. Ole Frahm

Das Filu-Archiv ist morgen von 9 bis 19 Uhr im Foyer des Gruner + Jahr-Verlags, Am Baumwall 11, zugänglich. Die Adresse des Archivs: Oranienstraße 185, 2. Hof, 10999 Berlin, Tel.: 030/615 10 60

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