: Ölprojekt-Kritiker in Haft
■ Oppositioneller im Tschad setzt sich gegen große Vorhaben von Shell, Elf und Esso ein
Brüssel (taz) – Der Umweltpolitiker Ngarlegy Yorongar ist gestern erneut von der Polizei des Tschad festgenommen und verhört worden. Bereits am Vortag war Yorongar mehrere Stunden in Polizeigewahrsam. Seit vor einer Woche seine parlamentarische Immunität aufgehoben wurde, ist der Abgeordnete ständig von Sicherheitskräften umgeben, die ihn offensichtlich an der Ausreise hindern sollen. Yorongar sollte nächste Woche auf Einladung der Grünen im Europaparlament auf dem sogenannten P-7-Gipfel der ärmsten Länder in Brüssel seine Kritik an dem Milliarden-Ölprojekt von Esso, Elf und Shell vortragen. Die drei Konzerne planen in Zusammenarbeit mit der Weltbank die Erschließung neuer Ölfelder sowie eine Pipeline durch den Tschad nach Kamerun.
Yorongar, ein Abgeordneter der Nationalversammlung des Tschad, kämpft seit langem gegen das Projekt, das schwere Umweltschäden und die Umsiedlung der lokalen Bevölkerung mit sich bringe. Nach Informationen mehrerer regierungsunabhängiger Organisationen werden durch das Mammutprojekt nicht nur viele Ackerflächen zerstört und Flüsse bedroht, sondern auch weite Teile der Bevölkerung aus dem fruchtbaren Doba-Bassin verdrängt.
Der niederländische Finanzminister Gerrit Zalm hat deshalb im März die Weltbank aufgefordert, ihre Beteiligung an dem Projekt noch einmal zu überdenken, weil im Tschad ein „zweites Nigeria“ zu befürchten sei. Nigerias Regierung hatte ein Ölprojekt gegen den Widerstand der Bevölkerung durchgesetzt.
Auch im Tschad hat sich die Menschenrechtssituation in den letzten Jahren dramatisch verschlechtert. Oppositionelle werden verfolgt, mehr als 80 Menschen wurden laut amnesty international seit Oktober 1997 von Sicherheitskräften getötet. Ai befürchtet, daß Ngarlegy Yorongar durch Folter zum Schweigen gebracht werden soll. Seit 1994 war Yorongar mehrmals inhaftiert und mißhandelt worden. Die Aufhebung der parlamentarischen Immunität wird mit einem Interview begründet, das Yorongar vor einem Jahr einer lokalen Zeitung gegeben hatte. Darin warf er dem Parlamentspräsidenten vor, vom Elf-Konzern Geld für seine Wahlkampagne genommen zu haben. Die Rede ist von umgerechnet fünf Millionen Mark.
Wilfried Telkämper von den Grünen im Europaparlament, der Yorongar zum P-7-Gipfel eingeladen hatte, forderte gestern die Regierung des Tschad auf, den Opposionspolitiker sofort freizulassen. An die Bundesregierung und die EU-Kommission appelliert Telkämper, sich für die Sicherheit Yorongas einzusetzen. Die europäischen Regierungen müßten auch ihren Einfluß auf Elf, Shell und Esso geltend machen, deren Investition die Ursache für die Verfolgung Yorongars sei: „Die Ölkonzerne sind mitverantwortlich für die Einhaltung der Menschenrechte in den Ländern, in denen sie operieren.“ Alois Berger
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