: Rote Flut am Starnberger See
■ Die CSU ist empört: Dammbruch in der Evangelischen Akademie Tutzing! Diskussion mit den Extremisten von der PDS! Partei sagt Teilnahme ab
Berlin (taz) – Kaum ein Ort scheint ungeeigneter für linksextremistische Agitation als der schöne Starnberger See in Bayern. Besonders die dortige Evangelische Akademie Tutzing nicht. Wachsam ist nur die CSU. „Ein Dammbruch“ habe in der renommierten Akademie stattgefunden, sagt CSU-Sprecher Ingo-Michael Fett. Und das ist noch nicht alles: „Es ist ungeheuerlich“, so Fett, „daß eine kirchliche Einrichtung den freiheitlich-demokratischen Konsens gegen Extremisten verlassen hat.“
Das Ereignis, das die CSU für den Sündenfall der Tutzinger hält, hat noch gar nicht stattgefunden. Die Akademie hat André Brie, Wahlkampfchef der PDS und einflußreicher Reformer der Partei, zu einer Diskussion am 20. Juni eingeladen. Thema: „Deutschland vor der Wahl“. Der Leiter der Tutzinger Akademie, Pfarrer Friedemann Greiner, wundert sich über die harschen Töne der CSU: „Wir hatten schon eine definitive telefonische Zusage vom Büro des Generalsekretärs Protzner, daß Peter Müller von der CSU-Landesleitung an eben dieser Diskussion teilnehmen wird.“ Erst vier Wochen nach der Einladung erfuhr Greiner aus der Welt, daß die CSU nicht mit der PDS diskutieren will.
„Uns war nicht bekannt, daß André Brie dort auch auftritt“, erklärt Sprecher Fett die ursprüngliche Zusage der CSU. Das weist Greiner zurück. Er selbst habe den Namen Brie genannt und danach die Zusage erhalten. Dies bestreitet die CSU. Prinzipiell würden kein CSUler zusammen mit „überführten Stasi-Mitarbeitern wie Gregor Gysi oder eben auch André Brie“ auftreten. Das dieser Grundsatz besonders gilt, seit die Union den Lagerwahlkampf ausgerufen hat, sei Unfug.
Friedeman Greiner ist „enttäuscht“. Er mußte erst bei der CSU anrufen, um den an ihn gerichteten Brief mit der CSU-Absage auch zugeschickt zu bekommen. „Es ist offensichtlich, daß die Presse den Brief vier Tage vor mir hatte.“ Beim Bemühen, die PDS auszugrenzen, vergißt die Union nicht nur gegenüber kirchlichen Organisationen den guten Ton.
Auch die Schwesterpartei CDU muß mit ins Boot. „Von der CDU wird niemand an der Diskussion in Tutzingen teilnehmen“, sagte Fett gestern. Dabei hatte ein Vertreter der CDU nach Angaben der Akademie längst zugesagt. Preschle war gestern nicht erreichbar. CDU-Sprecher Rolf Kiefer bestätigte aber die Absage. Die Tutzinger Akademie habe man bisher noch nicht informiert. Dies werde nun schriftlich nachgeholt.
In Tutzing wird am 20. Juni zur Not auch ohne die Union diskutiert. „Ich hätte der Union mehr zugetraut“, sagt Akademiechef Greiner. „Hier ist eine Chance vertan worden, die PDS auf neutralem Boden argumentativ zu demaskieren.“ Robin Alexander
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