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Ein akademisches Zubrot

Professoren der Hochschule Lübeck versuchten, aus studentischen Diplomarbeiten Kapital zu schlagen: Extrahonorare und Abtreten der Patentrechte verlangt  ■ Von Jean-Pierre Hintze

Lübeck (taz) – Am Ende seines Studiums sah alles noch so gut aus: Nils Winter*, Elektrotechnikstudent der Fachhochschule (FH) Lübeck, fand, was sich jeder Student wünscht: ein interessantes Prüfungsthema und einen Betrieb, der ihn bei seiner technischen Diplomarbeit unterstützen würde. Die Nutzung des FH-eigenen Computerlabors sollte kein Problem sein – dachte Winter. Doch der Professor und Leiter des Labors, Reinhard Kegel, vergällte dem Diplomanden die Freude. „So geht das nicht“, meinte Kegel und verwies auf die Kosten, die durch die Benutzung von Hochschuleinrichtungen entstehen. Er legte dem Studierenden nahe, einen Kooperationsvertrag zu unterschreiben.

Das Schriftstück war für Winter der Anfang eines Spießrutenlaufs durch die „Hochschule für Technik, Wirtschaft, Bauwesen und Naturwissenschaften“. In dem Schriftstück, das den Namen der Fachhochschule Lübeck trägt (und der Redaktion vorliegt), verlangte der Hochschullehrer Geld für seinen – so wörtlich – „gesteigerten Betreuungs- und Beratungsaufwand“ durch eine externe Diplomarbeit.

Bei einer Unterredung im Dienstzimmer unterschied er zwischen kleinen, mittleren und großen Kooperationsverträgen. In Winters „mittlerem“ Fall würden 50.000 Mark fällig – zahlbar an Kegel. Winter und seinen Kommilitonen fiel die Kinnlade herunter. „Ich dachte, ich höre nicht recht“, erinnert sich der Student Günther Maier* an die Unterredung.

Nils Winter wollte nicht glauben. Also bekam er zu spüren, wie machtlos ein Prüfling sein kann. Der Student verwies zunächst bei Kegel darauf, daß er gar keine Betreuung wolle, sondern nur einen Computer der FH. Damit wolle er seine Ergebnisse überprüfen. Aber der Professor blieb bei seinem Preis – schließlich machten das auch andere Dozenten so.

Winter zog den Vertrauenprofessor zu Rate. Doch der schwieg nicht, sondern plauderte die Geschichte aus. Plötzlich ging vieles schief. Ein bereits anerkannte Lehrveranstaltung wurde wieder angezweifelt, erinnert sich Winter. Jetzt, nachdem er sein Diplom mit einem anderen Thema erfolgreich absolviert hat, geht er an die Öffentlichkeit. „Die Studenten, die noch vor dem Diplom sind, trauen sich nicht, das Thema zur Sprache zu bringen“, sagt der 26jährige.

Reinhard Kegel äußert sich nicht selbst über den merkwürdigen Vertrag mit Zuverdienstmöglichkeit. Sein Rechtsberater dementierte lediglich, daß Gewinn erzielt worden sei: „Mein Mandant konnte den sogenannten ,Kooperationsvertrag‘ in keinem Fall erfolgreich verwenden“, schrieb das Anwaltsbüro Kegels. „Die Sache“ sei stets daran gescheitert, daß die Firmen, bei denen die Diplomarbeitsthemen entstanden, den Vertrag nicht unterschreiben wollten.

Der auf besseres Einkommen erpichte Professor ist kein Einzelfall. Ein Kollege an der FH schob seinen Studenten eine Erklärung folgenden Inhalts zu: „Entstehen... nach Abschluß meiner Diplomarbeit, Erfindungen oder schützenswerte Gebrauchsmusteranmeldungen, liegt das volle Verwertungs- und Patentrecht beim betreuenden Professor.“

Der Asta der Fachhochschule mit 2.600 Studierenden protestierte gegen die akademischen Nebenverdienste einiger Professoren. Extrahonorare für die Betreuung oder die technische Unterstützung von Diplomarbeiten dürfe es nicht geben. „Das gehört genauso zum ganz normalen Job von Professoren, wie Vorlesungen zu halten“, empört sich der Vorsitzende des Allgemeinen Studentenausschusses (Asta), Dirk Stankowski.

Auch das Rektorat der Fachhochschule nimmt diese Position ein. „Kooperationsverträge dieser Art werden ausdrücklich abgelehnt“, sagte der amtierende Kanzler Peter Plottner der taz – und veröffentlichte dies in der Campus- Zeitschrift. Professor Kegel wurde zum Rapport einbestellt. Der Rektor teilte „dem betreffenden Professor in aller Deutlichkeit die Ablehnung solcher Verträge“ mit, berichtet der Kanzler.

Den Asta stört indes noch etwas anderes: daß die sensible Beziehung zwischen Professor und Student unter solchen Vertragspraktiken leidet – ob erfolgreich oder nicht. „Es gibt da ein Abhängigkeitsverhältnis. Daher besteht immer die Gefahr, daß Studierende davor Angst bekommen, keinen Prüfer für Examen und Diplomarbeit zu finden“, meint Stankowski. Daher müsse klargemacht werden, daß die Verträge illegal sind.

*Namen sind der Redaktion bekannt

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