: GAL opfert Vogelschutzgebiet für Flugzeugbau
■ Hamburger Grüne knicken gegenüber der SPD ein: Mühlenberger Loch wird zugeschüttet
Hamburg (taz) – Übernächtigt und niedergeschlagen trat Hamburgs grüner Umweltsenator Alexander Porschke am Dienstag nachmittag vor die Presse. In dem seit Wochen schwelenden Konflikt um die Ausbaufläche für den Flugzeugbauer Dasa hatte der Parteilinke den kürzeren gezogen. Die rot-grüne Landesregierung hat endgültig beschlossen, Airbus International das EU-Vogelschutzgebiet Mühlenberger Loch – eine Ausbuchtung der Elbe – zur Verfügung zu stellen. Wenn Hamburg 1999 den Zuschlag für den Bau eines neuen Superfliegers bekommt, wird der ökologisch wichtigste Teil des Feuchtgebiets zugeschüttet.
An Porschkes Seite präsentierte sich Wirtschaftssenator Thomas Mirow (SPD) als Sieger. Er hatte zuvor der Grün-Alternativen Liste (GAL) die Pistole auf die Brust gesetzt: Airbus verlange von allen vier Bewerbern – Rostock, Toulouse, Sevilla und Hamburg – eine sofortige Flächenentscheidung. Und nach Ansicht der SPD komme dafür nur das Mühlenberger Loch in Frage.
4.000 Arbeitsplätze verspricht sich Hamburg von der Endlinienfertigung des „modernsten Flugzeugs der Welt“. 1,5 Milliarden Mark sind für die Aufbereitung der Fläche und die Bereitstellung der Infrastruktur im Gespräch. Umgerechnet würde damit jeder Arbeitsplatz mit 375.000 Mark subventioniert. Ob die EU-Wettbewerbskommission eine derart üppige Beihilfe durchgehen läßt, ist fraglich.
Ebenso erstaunlich erscheint Mirows Zuversicht, daß Brüssel eine Ausnahmegenehmigung erteilt, um das erst im Januar dieses Jahres angemeldete EU-Vogelschutzgebiet Mühlenberger Loch zuzuschütten. Der Wirtschaftssenator ist überzeugt, daß die EU- Kommission wegen der großen Bedeutung des Flugzeugbau-Projekts für ganz Europa nachsichtig sein wird. Allerdings wäre der Standort Rostock im strukturschwachen Mecklenburg-Vorpommern mit einer Arbeitslosenquote von 25 Prozent womöglich noch besser geeignet. Und auch Spanien käme in Frage.
So werfen die Naturschutzverbände dem Senat, insbesondere den bisherigen Bündnispartner GAL, „Kirchturmpolitik“ vor. In Rostock seien „ökologisch weniger wertvolle Fächen betroffen“, klagt der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND). Unbegreiflich sei, warum Hamburg den Schwestern und Brüdern im Osten den Auftrag nicht gönne. Der Naturschutzbund (NABU) droht sogar mit einer Klage bei der EU- Kommission.
Die Grünen trauen sich kaum noch, der parteinahen Basis unter die Augen zu treten. „Ich kann den Unmut verstehen“, lamentiert die linke GAL-Fraktionschefin Antje Möller. Die seit einem halben Jahr bestehende rot-grüne Koalition in Hamburg, die als Vorbild und Signal für einen Wechsel in Bonn gefeiert wurde, läßt bisher an Charme und Überzeugungskraft zu wünschen übrig. Die erstmals in Hamburg mitregierenden Grünen konnten bisher kaum Punkte machen und erklären die dauerregierende SPD für die Schwierigkeiten verantwortlich. Tatsächlich vergreifen sich die Genossen immer öfter gegenüber dem kleineren Koalitionspartner im Ton und gehen mit Alleingängen an die Öffentlichkeit. Die Spitzen-GALier hingegen halten sich diszipliniert an die Absprachen und ertragen die Eskapaden der SPD mit einer Demut, die grüne Parteimitglieder auf die Palme bringt – zumal viele bezweifeln, daß es den Grünen nützt, im Konflikt zwischen Ökologie und Ökonomie die besseren Sozialdemokraten sein zu wollen. Die Entscheidung für das Mühlenberger Loch als Erweiterungsfläche sei „ein Beleg für rot-grüne Handlungsfähigkeit“, ist Umweltsenator Porschke überzeugt. „Die SPD“, resigniert dagegen der NABU, „kann ihre Betonpolitik gegen die Natur unvermindert fortsetzen.“ Silke Mertins
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