: Wecker wird teuer
■ Bundesanwalt verlangt zwei Jahre Haft auf Bewährung für ausgestiegenes RZ-Mitglied
Berlin (taz) – Eine Strafe von zwei Jahren Haft auf Bewährung hat gestern die Karlsruher Bundesanwaltschaft vor dem Stuttgarter Oberlandesgericht im Prozeß gegen die 45jährige Journalistin Corinna Kawaters gefordert. Die Anklagebehörde sah es als erwiesen an, daß Kawaters 1987 Mitglied der „Revolutionären Zellen/Rote Zora“ (RZ) gewesen ist, die sich in diesem Jahr unter anderem zu einer bundesweiten Anschlagserie auf Filialen der Kleidermarktkette Adler bekannt hatten. Dabei entstand ein Gesamtschaden von rund 35 Millionen Mark.
Die Bundesanwaltschaft wirft Kawaters, die bis zu ihrem Untertauchen Ende 1987 auch für die taz in Nordrhein-Westfalen arbeitete, im Detail vor, an mehreren konspirativen Treffen der RZ teilgenommen zu haben und deren innerem Zirkel angehört zu haben. Sie soll darüber hinaus einen Reisewecker der Marke Emes-Sonochrom für einen Zündsatz gekauft haben. Eine direkte Beteiligung an Anschlägen könne der Angeklagten aber nicht nachgewiesen werden.
Der Wecker war bei einer Durchsuchung der Wohnung der Angeklagten sichergestellt worden. Obwohl er nicht benutzt worden sei, so die Ermittler, hätte er als Zündzeitverzögerer dienen sollen. Dieser Weckertyp ist schon heute Teil der Kriminalgeschichte – weil angeblich „RZ-typisches Tatmittel“. Über 30 von ihnen sollen bei RZ-Anschlägen verwendet worden sein. Wecker diesen Typs wurden in Zusammenarbeit mit dem Hersteller zur späteren Identifizierung markiert. Verkäufer waren angewiesen worden, Personenbeschreibungen über die KäuferInnen zu fertigen.
Nach ersten Festnahmen durch die Polizei hatte sich Kawaters – wie drei weitere mutmaßliche RZ- Mitglieder – ihrer Verhaftung durch Flucht ins Ausland entzogen. Acht Jahre später tauchte sie dann überraschend auf, als sie sich am 25. Oktober 1995 in Karlsruhe der Bundesanwaltschaft stellte. Zuvor hatte sie Kontakt zum sogenannten „Aussteiger-Programm“ des Verfassungsschutzes aufgenommen. Ihr war eine Haftverschonung zugesichert worden. Der Ausgang des Verfahrens wird daher auch als Signal für die noch untergetauchten angeblichen RZ- Mitglieder betrachtet. Die Verteidigung soll am 17. Juni plädieren, das Urteil wird zwei Tage später erwartet. Wolfgang Gast
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