: Nokia überklebt angekratztes Image
„Kosten sind kein Thema“, verkündet der Handy-Hersteller Nokia und ist bereits dabei, bundesweit den Werbeslogan „Jedem das Seine“ zu überkleben. „Wir wollten den Spruch doch schon vor einer Woche aus dem Verkehr ziehen“ ■ Von Katja Ubben
Berlin (taz) – Krisensitzung gestern beim finnischen Telefonbauer Nokia und der Werbeagentur Gramm in Düsseldorf. Auf der Tagesordnung stand nur ein einziges Thema: Die Panne bei den Werbeplakaten für die neuen Nokia-Handys mit auswechselbarer Plastikschale. Für die Mobiltelefone hatten sich die Düsseldorfer Werber das Motto „Jedem das Seine“ ausgedacht – und es mit dem Segen von Nokia bundesweit auf 3.000 Plakatwände drucken lassen.
Der Spruch stand einst am Eingang des Konzentrationslagers Buchenwald. Die Folge: Empörte Anrufer in der Nokia-Zentrale und am vergangenen Samstag ein Appell des American Jewish Committee (AJC) in der taz, die Plakate sofort abzuhängen. Nokia handelte: Innerhalb von 48 Stunden waren erste Plakate in Berlin überpinselt worden.
„Ich weigere mich, mir jeden Tag diese Plakate angucken zu müssen“, hatte Wendy Kloke noch in der taz geschimpft. Kloke ist AJC-Sprecherin und entdeckte den Slogan von ihrem Berliner Bürofenster aus. Ausgerechnet am Bauzaun des Grundstücks, auf dem das Holocaust-Denkmal für die ermordeten Juden entstehen soll. Nokia müsse die Kampagne stoppen, forderte sie: „Der Spruch verhöhnt die Opfer“. „Froh“ sei sie jetzt, daß ihr Protest beim größten Handy-Hersteller in den letzten drei Tagen jede Menge Bewegung ausgelöst hat. Nach Auskunft von Nokia-Pressesprecher Tapio Hedman soll der Slogan heute auch von der letzten Plakatwand verschwunden sein. „Die Frage der Kosten ist von völlig untergeordneter Bedeutung für uns“, so Tapio Hedman, „das ist in diesem Fall einfach kein Thema.“
Der Deutsche Werberat, das freiwillige Kontrollgremium der Werbewirtschaft, weiß um die Brisanz von PR-Entgleisungen im Zusammenhang mit dem Nationalsozialismus. So brisant sei das Thema, daß es sich beim Fall Nokia in der bundesdeutschen Werbegeschichte um eine „absolut extreme Ausnahme“ handele, sagte Sprecher Volker Nickel.
In den vergangenen 25 Jahren hätte sich nur der Stern eine solche „Panne“ geleistet, die „vom Unternehmen garantiert nicht beabsichtigt war“: Das Hochglanzmagazin hatte mit bekannten Vornamen unter dem Motto „Der Stern für ...“ für sein Blatt geworben – und dabei einen jüdischen Vornamen verwandt. Ebenso heftige Proteste von Betroffenen waren die Folge. Der Stern handelte sofort und stoppte damals die Kampagne.
Nokia jedoch will seine Reaktion nicht als Krisenmanagement verstanden wissen. Man habe doch schon vor einer Woche wegen empörter Anrufe in der deutschen Zentrale in Düsseldorf gehandelt, sagte der finnische Nokia-Vizepräsident Anssi Vanjoki gestern zur taz.
Die Kommunikationsleute hätten sofort die deutsche Geschäftsführung alarmiert. „Dann hat der oberste deutsche Manager bei mir angerufen und mich darüber informiert, daß die Kampagne gestoppt ist“, beteuerte der Nokia-Vizepräsident.
Und auch der deutsche Nokia- Marketingchef für Mobiltelefone, Heikki Tarvaenen, sagte: „Wir haben doch schon vor einer Woche alles getan, um den Spruch aus dem Verkehr zu ziehen.“ So seien Prospekte neu gedruckt worden. Und dann habe man sich an die Außenwerbung gemacht.
Doch am Wochenende hatte Unternehmenssprecher Tapio Hedman noch den Eindruck erweckt, man habe mit dem Stopp der Kampagne auf die Veröffentlichungen reagiert.
„Wir haben viel gelernt“, sagte gestern der Nokia-Marketingchef für Mobiltelefone, Heikki Tarvaenen, nach dem internen Krisengespräch mit den Düsseldorfer Werbern. Auch der finnische Nokia- Vize Vanjoki übt sich weiter in Entschuldigungen: Die jungen Werber hätten wohl nicht gewußt, um welchen Spruch es sich handelt. Nun wolle man bessere „Kontrollmechanismen“ finden, „damit sich so etwas nie mehr wiederholen wird.“
In der Düsseldorfer Werbeagentur Gramm jedenfalls gab man sich gestern zugeknöpft: Die Herren waren nach dem Treffen mit den Nokia-Marketingleuten nochmals in ein internes Krisenagenturtreffen gegangen. Konsequenzen gibt es für sie keine: „Wir arbeiten weiter mit der Agentur zusammen“, so der Nokia-Marketingchef.
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