: "Kein Diskurs, sondern Eskalation"
■ Wegen der zu erwartenden Gewalt zwischen Linken und Rechten müsse die Demonstration der NPD am Samstag verboten werden, fordert Susanne Stumpenhusen, die Vorsitzende der Gewerkschaft ÖTV
taz: Ein linkes Bündnis will am Samstag eine bundesweite Demonstration für Arbeitsplätze abhalten. Gleichzeitig hat die NPD eine Demo angemeldet, deren Verbot Sie jetzt fordern. Hält die Gewerkschaft nichts mehr von dem Recht auf Versammlungsfreiheit?
Susanne Stumpenhusen: Als der DGB-Kongreß am vergangenen Wochenende seinen Beschluß faßte, geschah das natürlich nicht in Unkenntnis der bisherigen Rechtsprechung. Wir wissen, daß die NPD nicht als verfassungsfeindliche Partei eingestuft wird und deshalb ihr Demonstrationsrecht vor jedem Verwaltungsgericht durchsetzen kann.
Ihre Forderung ist also unrealistisch?
Das ist sie nicht. Sie läßt sich allerdings auf einem bestimmten Weg nicht durchsetzen. Wünschenswert wäre es, daß der Innensenator ein politisches Zeichen setzt, um Eskalationen, wie sie in Leipzig und anderswo stattgefunden haben, zu vermeiden.
Weil es unmöglich ist, die NPD- Demo grundsätzlich zu verbieten, ziehen Sie Gewalttätigkeiten als Hilfsargument heran?
Man sollte der NPD kein Forum bieten an einem Tag, an dem möglicherweise ein rechter Aufmarsch und eine linke Demonstration aufeinanderprallen.
Damit hätte die NPD niemals Chancen, ihre Positionen öffentlich zu vertreten, weil es immer linke Aktionen gibt.
Natürlich wäre es mir recht, wenn die Rechten überhaupt nicht demonstrieren würden. Aber jeder hat das Recht auf Demonstrationsfreiheit. Am Samstag jedoch gibt es eine spezielle Situation: In einer Stadt, wo viele ausländische Mitbürger leben, tritt ein breites Bündnis für Arbeitsplätze auf. Da kann die provozierende NPD-Forderung „Arbeit zuerst für Deutsche“ Gewalt hervorrufen.
Offensichtlich hat die NPD ihre Demo zuerst angemeldet.
Das weiß ich nicht, das wird behauptet. Sicherlich ist die Verbotsforderung auch problematisch. Die Gewerkschaft ÖTV ist im Falle der Republikaner ja sogar von ihrem Unvereinbarkeitsbeschluß abgerückt. Mitglieder der Republikaner werden nicht ausgeschlossen, aber unter Umständen aus ihren Ämtern abgewählt. Eine Auseinandersetzung um Positionen ist die bessere Alternative.
Eine öffentliche Präsentation der Argumente wird es am Samstag auf der Straße geben.
Da wird doch kein Diskurs zwischen den Demonstranten geführt. Es kommt höchstens zu Schlägereien.
Trauen Sie der Polizei nicht zu, die Demos auseinanderzuhalten?
Grundsätzlich schon. Da muß der Innensenator Augenmaß beweisen. Mindestens dürfen sich die Demorouten nicht kreuzen.
Warum sollte man der Öffentlichkeit nicht das eindeutige Schauspiel vorführen, daß Zehntausende Linke sich versammeln und nur ein paar hundert Rechte?
Wenn es nicht zu Gewalt kommen würde, wäre dagegen gar nichts einzuwenden. Interview: Hannes Koch
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