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Mieter durchkreuzen Freys Rechnung

Eine Initiative ruft die Bewohner der Berliner Häuser des DVU-Chefs Gerhard Frey auf, bis zur Bundestagswahl weniger Miete zu zahlen. Das eingesparte Geld werden sie später aber zurückzahlen müssen  ■ Aus Berlin Barbara Bollwahn

Die Mieter der Frey-Häuser in Berlin haben den Kampf gegen Gerhard Frey, den Vorsitzenden der Deutschen Volksunion (DVU), aufgenommen – mit ungewöhnlichen Mitteln. Statt weiterhin pünktlich ihre Miete mit dem unguten Gefühl zu bezahlen, einen rechten Wahlkampf mitzufinanzieren, wollen sie ihn schwächen. Ab sofort wollen sie 30 Prozent weniger Miete an Frey zahlen. Nicht wegen feuchter Wände oder Ratten im Keller, sondern aus politischen Gründen. „Der Mangel in der Mietsache ist spätestens in dem Moment aufgetreten, in dem die von Gerhard Frey geführte DVU ihre Kandidatur – auch in Berlin – zur Bundestagswahl angekündigt hat“, heißt es in einem Aufruf, der am Wochenende von der Initiative „MieterInnen gegen die DVU“ in insgesamt 28 Häusern verteilt wurde.

Die Aktion wird damit begründet, daß die Mieter mit ihren monatlichen Zahlungen „indirekt die rechtsradikale Partei DVU“ unterstützen und sich „sowohl in der öffentlichen Meinung als auch im Bekanntenkreis erheblichen Druck“ aussetzen würden. Weitere Gründe sind die Angst, daß DVU-Anhänger oder Mitglieder in die Häuser einziehen oder Linksradikale die Häuser zum Angriffsziel erklären. In einer von einem Rechtsanwalt formulierten Erklärung werden die Mieter aber auch darüber aufgeklärt, daß die Aktion juristisch nicht haltbar ist. Deshalb wird ihnen ans Herz gelegt, den nicht gezahlten Mietanteil nicht auszugeben, „da spätestens in einigen Monaten die Miete nachgezahlt werden muß, auch wenn es finanziell und politisch wehtut“.

Zumindest für die Zeit des Wahlkampfes soll Frey der Geldhahn etwas zugedreht werden. „Es geht darum“, so einer der Mitorganisatoren gegenüber der taz, „Zivilcourage zu zeigen“. Für die Parteikasse sind die Frey-Häuser in Berlin eine gute Bank. Während der Verleger in München nur zwei Häuser besitzt, sind es in Berlin Hunderte Wohnungen, die ihm Geld einbringen. Nach Schätzungen des Berliner Mietervereins sind Frey und seine für die Immobilien zuständige Ehefrau Regine Eigentümer von rund 30 Häusern, die über die ganze Stadt verstreut sind. Daß Gerhard Frey, der nach Verfassungsschutzangaben in seinen Publikationen wie Deutsche National-Zeitung und Deutsche Wochenzeitung gegen „Ausländer, Juden, Sinti und Roma polemisiert“, in einigen seiner Häuser einen Ausländeranteil von fünfzig Prozent und mehr hat, wundert den Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, Rainer Wild, nicht. Er führt das auf „den bekanntermaßen oft höheren Mietzins“ bei ausländischen Mietern zurück.

Viele Mieter von Frey-Häusern fühlen sich unwohl in ihrer Haut. Ein Drehbuchautor aus dem Prenzlauer Berg erzählt, daß sich bei der Übernahme des Hauses durch die Freys 1993 „der halbe Prenzlauer Berg totgelacht“ habe, weil er, ein Linker, „in einem Obermünchner-Nazi-Haus“ wohne. Er mache sich schon Gedanken darüber, „daß jeden Monat mit der Miete Geld in ein Imperium gelangt, das sich dann im Wahlkampf in Sachsen-Anhalt wiederfindet“. Für eine Mieterin in einem Frey-Haus im Westberliner Bezirk Neukölln wäre ein Auszug kein Protest. Die Frau, die Anfang der 90er Jahre dem bald eingegangenen „Freykomitee“ angehörte, informiert neue Mieter über die Eigentümer. Weil Frey ihr damals verboten hatte, Infozettel im Haus aufzuhängen, wirft sie diese in die Briefkästen. Einer, der ganz offiziell für Frey beziehungsweise seine Ehefrau arbeitet, ist Klaus Pieper. Er ist der sogenannte Interessensvertreter der Hausverwaltung in Berlin, der sein Büro in einem Frey-Haus in Neukölln hat, wo auch Freys Immobilienmakler sitzt. Der 69jährige erzählt, daß er sich „gewundert“ habe, daß die Mieterproteste nach dem Erfolg der DVU in Sachsen-Anhalt ausgeblieben seien. Nur ein Transparent habe er von der Fassade eines Hauses in Mitte entfernen müssen. „Das habe ich dann nach München geschickt“, vermeldet er. Es sei Sache der etablierten Parteien, „etwas gegen die Ausbreitung des Rechtsradikalismus zu unternehmen“, stellt er klar, „genauso wie gegen linke Autonome“, fügt er im gleichen Atemzug hinzu. Pieper will erst von den Fernsehbildern der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt erfahren haben, daß der Ehemann seiner Chefin der Vorsitzende der DVU ist. „Das ist seine Privatangelegenheit“, sagt er. Pieper läßt offen, ob das Parteiprogramm, das er nicht kenne, nicht „vielleicht meine Zustimmung finden würde“. Er sei weder in der DVU noch in einer anderen Partei: „Ich bin nur für die technische Ordnung zuständig“.

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