piwik no script img

Vogts will nur über Fußball reden

■ Nach Ausschreitungen erwog DFB WM-Rückzug

Nizza/Marseille (taz/AFP) – Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) will von einem Rückzug seines Teams von der Fußball-WM nichts mehr wissen. DFB-Präsident Egidius Braun sagte gestern in Marseille, er habe zwar nach den Ausschreitungen deutscher Staatsbürger ins Lens „mit tausend Gedanken“ im Kopf das Gespräch mit Fifa- Präsident Joseph Blatter gesucht, ist aber nun der Meinung, bei einem Rückzug wäre „der Schaden viel größer“.

Einem Rückzug der Nationalmannschaft verweigerte sich insbesondere DFB-Trainer Berti Vogts. „Daß es den Gedanken gab, die Mannschaft zurückzuziehen, dafür fehlen mir die Worte“, sagte Vogts gestern in Nizza. Auch das Mannschaftsratsmitglied Thomas Helmer war „relativ fassungslos“, weil es „die Zusammenhänge nicht begreifen“ konnte. Vogts' Ablehnung des Themas gipfelte in den Worten: „Können wir nicht über Fußball reden?“

Gestern befanden sich von den 99 festgenommenen Randalierern noch sechs in Polizeigewahrsam, unter ihnen der 27jährige Markus W. aus Hannover, der als Hauptverantwortlicher für den brutalen Angriff auf einen französischen Polizisten gilt. Nach Angaben aus Ermittlungskreisen in Lens identifizierten Augenzeugen unter den Festgenommenen inzwischen auch einen weiteren Deutschen, der an der Gewalttat beteiligt gewesen sein soll. Gegen beide soll ein formelles Ermittlungsverfahren wegen versuchter vorsätzlicher Tötung eingeleitet werden.

Bundesjustizminister Edzard Schmidt-Jortzig hat sich dafür ausgesprochen, auch in Deutschland schnellere Urteile gegen Hooligans zu fällen. Der FDP-Politiker sagte der Berliner Morgenpost, mit raschen Schuldsprüchen mache man nicht nur dem Täter, sondern auch den Mitgliedern seiner Gruppe die Konsequenzen seines Handelns klar. Schmidt-Jortzig wies darauf hin, daß in Deutschland beschleunigte Verfahren bereits seit dem Verbrechensbekämpfungsgesetz von 1994 möglich seien.

Der Bundesvorsitzende der Polizeigewerkschaft im Beamtenbund, Gerhard Vogler, forderte, potentielle Randalierer für die Dauer der Fußball- Weltmeisterschaft in vorbeugenden Gewahrsam zu nehmen. Er kündigte an, seine Gewerkschaft werde den bei den Krawallen am Sonntag schwerverletzten Polizeibeamten und seine Familie zu einem Genesungsurlaub einladen. Der 43jährige Vater zweier Kinder schwebte weiter in akuter Lebensgefahr. Nach Einschätzung der behandelnden Ärzte wird er, wenn er überlebt, bleibende Schäden davontragen.

pu Berichte Seite 2

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen